Verlagerungen auf Kryptowährungsmärkten
10.11.2020
1. September 2020
In der vergangenen Woche hielt der Präsident der Federal Reserve J. Powell eine Rede, in der er eine Änderung der Inflationsziele der Fed bekannt gab – statt 2% nur als Jahresziel zu verfolgen, wird die Fed nunmehr eine längerfristige durchschnittliche Inflation von 2% anstreben. Dies bedeutet, dass die Inflation in den kommenden Jahren “geringfügig höher” ausfallen darf, wenn sie über die nächsten Jahre gerechnet unter der 2-%-Marke bleibt. Die Rede sorgte sowohl beim Dollar-Index DXY als auch an den Kryptowährungsmärkten für einige Volatilität.
Abbildung 1: Powells Rede (die er um 15:10 Uhr MEZ begann) betraf sowohl die Kryptomärkte (BTCUSD, rhs, red/green 1-minute candles) als auch den Dollar-Index (DXY, lhs, in schwarz).
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Wie in einer vorherigen Folge erwähnt, hat Bitcoin eine stärkere inverse Korrelation zum Dollar-Index gezeigt, auch während kurzer, steiler Bewegungen.
Sollte die Korrelation über längere Zeiträume hinweg bestehen bleiben, würde dies die Argumente für Bitcoin als digitales Gold und als Absicherung gegen die Inflation untermauern – und die Kaufkraft von Bitcoin bei einem rückläufigen Dollar stützen.
Abnehmende Bitcoin-Dominanz Inzwischen hat sich die Dominanz von Bitcoin auf den Kryptowährungsmärkten abgeschwächt, und ETH sowie andere Coins und Token haben ihren Anteil an der gesamten Marktkapitalisierung erhöht.
Abbildung 2: Seit Anfang Juli ist die Dominanz von Bitcoin von 63,8% auf 56,7% gesunken, während der Anteil von Ethereum an der gesamten Krypto-Marktkapitalisierung von 9,5% auf 12,4% gestiegen ist.
Teilweise verantwortlich für die rückläufige Bitcoin-Dominanz sind insbesondere Token aus der dezentralisierten Finanzwirtschaft. Die Gesamtkapitalisierung von DeFi-Token am Markt hat die Marke von 18 Mia. USD bzw. 4,6% der gesamten Kryptomarktkapitalisierung erreicht (zum Zeitpunkt der Erstellung dieses Artikels). Das rasante Wachstum des DeFi-Ökosystems setzt sich fort, wobei der Gesamtwert derzeit bei fast 9 Mia. USD liegt.
Eine Reise in die Vergangenheit Die Kryptowährungslandschaft unterliegt laufenden Änderungen. Die Gewinner von heute können mit der Zeit in der Bedeutungslosigkeit versinken – so wie es bei sieben der Top-10-Coins des Jahres 2013 der Fall gewesen ist.
Abbildung 3: Nur noch drei der zehn Top-Coins 2013 sind heute weiterhin im Top-10-Ranking vertreten. Farbcode: Grün = neues oder höheres Ranking, Rot = geringeres Ranking, Gelb = gleiches Ranking, Grau = heute nicht mehr unter den Top 100.
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Obwohl Tether von August 2019 bis August 2020 keinen Wertzuwachs verzeichnete, wurde die digitale Währung in das Ranking aufgenommen, um die zunehmende Bedeutung und Prävalenz von Stablecoins hervorzuheben.
Diese Tabelle lässt folgende Beobachtungen zu:
- Die gesamte Marktkapitalisierung der Top 10 hat sich alle drei Jahre um eine Grössenordnung erhöht.
- Bitcoin belegte durchgehend den ersten Platz und Ethereum und Ripple konnten sich seit 2016 auf dem zweiten bzw. dritten Platz halten (ohne Tether).
- Litecoin hat kontinuierlich an Relevanz verloren, konnte sich aber seit 2013 unter den Top 10 behaupten.
- Sieben der Top-10-Coins im Jahr 2013 und zwei der Top-10-Coins 2016 sind heute nicht mehr in den Top 100 vertreten.
Dies führt zu der Schlussfolgerung, dass passives Investieren in die Top-10-Coins zu einem beliebigen Zeitpunkt und mit dem Ziel, ein “diversifiziertes” Engagement an den Kryptomärkten zu erreichen, möglicherweise nicht die beste Strategie ist und dass historisch gesehen eine gelegentliche Neugewichtung die Renditen verbessert hätte.
Korrelationen in den Top 20 Wir haben das Wort “diversifiziert” in Anführungszeichen gesetzt, da eine Diversifizierung über stark korrelierende Anlagen nur begrenzt wirksam ist. Eine Korrelationsmatrix für die aktuellen Top-20-Coins erlaubt, diejenigen mit geringen Korrelationen zu den “Blue Chip”-Coins Bitcoin und Ether zu identifizieren.
Abbildung 4: Von den Top-20-Coins weisen LINK, BSV, CRO, ATOM und OKB relativ geringe Korrelationen zu BTC und ETH auf. Korrelationen basierend auf täglichen Renditen mit Daten seit März 2019.
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Fünf Coins der Top-20 scheinen sich als Möglichkeit zur Diversifizierung an Kryptomärkten anzubieten:
LINK, BSV, CRO, ATOM und OKB. Die Korrelationen bleiben jedoch relativ hoch und positiv, wobei die niedrigsten bei 0,34 bis 0,36 liegen (für CRO bzw. ATOM). Das allgemeine Hochwasser scheint nach wie vor alle Boote anzuheben, wenn auch in unterschiedlichem Ausmass. Jede Coin und jeder Token bieten jedoch eine andere Value Proposition, weshalb grundlegenden Aspekten wie Tokenomics, absolute Bewertung und künftiges Wachstumspotenzial mindestens ebenso viel Bedeutung beigemessen werden sollte wie der angestrebten Portfoliodiversifizierung.
Eine bemerkenswerte Ausnahme von dieser Liste der 20 wichtigsten Coins ist die Coin DOT von Polkadot (derzeit auf Platz 6 nach Marktkapitalisierung), die erst seit kurzem im Handel ist und daher keine verlässlichen Schlussfolgerungen zur Korrelation mit anderen Coins zulässt. In ihrer kurzen Handelshistorie hat DOT eine geringe Korrelation zu Bitcoin (0,26) und Ether (0,23) gezeigt.
Die Bedeutung von Handelspaaren Ein möglicher Grund für die allgemein starken Korrelationen an den Kryptowährungsmärkten sind Handelspaare. Viele Coins und Token wurden oder werden bisher überwiegend gegen BTC oder ETH gehandelt. Da es zu USD keinen Paarhandel gibt, wird der USD-Wert der Coin oder des Tokens tendenziell mit der Performance von BTC oder ETH korreliert. Der Abwärtsdruck verschärft sich, wenn Altcoin-Händler über einen Handelsweg von Altcoin zu BTC/ETH auf USD umsteigen wollen.
Heutzutage verfügen viele Kryptowährungen auch über liquide Handelspartner in USD (oder USD-gebundener Stablecoin), was langfristig zu einer Abnahme der Korrelationen führen könnte. Bei starken BTCUSD-Abverkäufen sind die Korrelationen jedoch tendenziell hoch – wie in anderen Märkten auch. So blieb zum Beispiel ETHBTC (als Proxy für den Altcoin-Markt) am “Schwarzen Donnerstag” (12. März 2020) konstant oder wurde zusammen mit BTCUSD sogar abgestossen. Das bedeutet, dass ETHUSD einen ebenso grossen bzw. grösseren Einbruch als BTCUSD verbuchen musste.
Abbildung 5: Am Schwarzen Donnerstag (12. März 2020) war ETHBTC leicht rückläufig, als BTCUSD abverkauft wurde, was darauf hindeutete, dass ETHUSD etwas stärker zurückging als BTCUSD und stark korrelierte.
Fazit
In einer Welt, in der die Notenbanken alles in ihrer Macht Stehende unternehmen, um die Inflation zu stoppen, erscheinen potenzielle Wertanlagen wie Bitcoin attraktiv. Die Dominanz von Bitcoin an den Kryptomärkten hat sich in den letzten Monaten jedoch verringert, und das Ethereum-Ökosystem (ETH sowie DeFi-Token) konnte seine Marktkapitalisierung erhöhen. Während es bisher keine der neuen DeFi-Governance-Token in die Top-20-Coins geschafft hat, verändert sich die Kryptowelt fortlaufend und nur wenige Kryptowährungen können sich langfristig behaupten.
Die Korrelationen zwischen den wichtigsten Kryptowährungen sind nach wie vor hoch und machen eine “echte” Diversifizierung schwierig. Die Bildung von liquiden USD- oder USD-gebundenen Stablecoin-Handelspaaren könnte die Korrelationen in Zukunft jedoch verringern.