Bitcoin 2020 – die Halbierung der Blockprämie
03.02.2020
WICHTIGSTE ERKENNTNISSE
• Im Mai 2020 wird die Blockprämie für Miner von 12,5 BTC auf 6,25 BTC pro Block halbiert.
Jede Blockprämienreduktion hat bisher zu Preisrallyes geführt und wirkt sich stark auf die Rentabilität der Miner aus.
• Die Rolle von Bitcoin als Wertaufbewahrungsmittel wird immer wichtiger. Bitcoin ist dabei wenig mit anderen Anlageklassen wie Aktien und Gold korreliert.
Bitcoin ist die älteste erfolgreiche Kryptowährung und wurde am 3. Januar 2009 eingeführt. Die Währung löste das Doppelausgabenproblem für ein dezentrales, nicht vertrauensbasiertes elektronisches Cashsystem, das sicherstellt, dass jede Bitcoin nur einmal ausgegeben werden kann. Dies erfolgt durch die Bündelung von Transaktionen in Blöcken und deren Verkettung, die durch kryptographische Technologie und Rechenressourcen (Proof of Work) gesichert ist. Heute ist Bitcoin nach Marktkapitalisierung immer noch die grösste Kryptowährung und macht rund 66% der gesamten Marktkapitalisierung von Kryptowährungen aus. Bitcoin wird zum Zeitpunkt der Erstellung dieses Artikels zu 7’600 USD gehandelt.
Rückblick: 2019 im Schnelldurchlauf
Im letzten Jahr hat sich Bitcoin vom Kryptowinter 2018 erholt. Nach einem Jahresstart bei 3’700 USD war Bitcoin in der ersten Jahreshälfte 2019 auf Erholungskurs und erreichte Ende Juni einen Stand von fast 14’000 USD, um dann zum Zeitpunkt des Erstellens dieses Artikels wieder auf ca. 7’600 USD zurückzufallen. Bitcoin ist 2019 mit einer Rendite von 105% seit Jahresbeginn das leistungsstärkste Asset. Zum Vergleich: Der S&P 500 und der technologieorientierte Nasdaq 100 verzeichneten im bisherigen Jahresverlauf Renditen von jeweils 25% und 33%. Der Marktzugang wurde weiter verbessert, und Ende September wurden Bitcoin-Futures mit physischer Lieferung eingeführt.
Technisch gesehen haben Bitcoin-Core-Entwickler ihre Node-Software weiter aktualisiert, derzeit in der Version 0.19.0. Dies brachte mehrere Verbesserungen mit sich, wie die Kompatibilität mit nativen Hardware-Wallets. Auch “bech52”-Adressen, die aufgrund der fehlenden Unterscheidung zwischen Gross- und Kleinbuchstaben weniger fehleranfällig sind und für SegWit Vorteile bieten, sind nun in der GUI Standard.
Darüber hinaus hat Electrum – eines der gängigsten Bitcoin-Wallets – die Unterstützung für Lightning Network-Zahlungen angekündigt. Das Lightning Network ist 2019 weiter gewachsen und hat die Gesamtkapazität aller Kanäle von 525 BTC im Januar auf aktuell 825 BTC erhöht.
Die Forschung zur Implementierung von Schnorr-Signaturen wird als Alternative zum derzeitigen Algorithmus der elliptischen Kurvensignatur im Wesentlichen fortgesetzt. Ursprünglich vom Bitcoin-Entwickler Pieter Wuille als Bitcoin-Improvement-Proposal vorgeschlagen, würden Schnorr-Signaturen zur Skalierbarkeit von Bitcoin sowie zur Verbesserung des Datenschutzes beitragen: Multi-Signatur-Transaktionen wären (im Hinblick auf die Signaturgrösse) von normalen Einzelsignaturtransaktionen auf der Blockchain nicht zu unterscheiden. Zudem würde sich der Blockplatzbedarf bei Transaktionen mit einer einzigen Signatur und mehreren nicht ausgegebenen Transaktionsausgaben (UTXOs) als Inputs deutlich verringern, da unabhängig von der Anzahl der Inputs nur eine Signatur erforderlich wäre.
Der aktuelle Stand des Bitcoin-Netzwerks
Abbildung 1: Die Anzahl der Transaktionen pro Tag ist vom dritten und vierten Quartal 2018 bis zum ersten Halbjahr 2019 auf nunmehr rund 300’000 Transaktionen pro Tag gestiegen.
Abbildung 2: Die an die Miner gezahlten Bitcoin-Transaktionsgebühren beliefen sich 2019 auf rund 20 BTC pro Tag. Steile Aufwärtstrends bei Transaktionsgebühren korrelieren in der Regel mit zunehmender Marktvolatilität.
Abbildung 3: Bitcoin ist ein wirklich globales Netzwerk mit Knoten (Nodes), die in fast 100 verschiedenen Ländern gehostet werden. Führend sind die Vereinigten Staaten, Deutschland und Frankreich, während China nach Anzahl der Knoten an neunter Stelle liegt.
Abbildung 4: Das Lightning Network, Bitcoins Skalierungslösung der zweiten Layer, die Mikrozahlungen über Zahlungskanäle ermöglicht, hat Ende 2018/Anfang 2019 ein starkes Wachstum hinsichtlich der Anzahl der vernetzten Knoten verzeichnet. Derzeit sind rund 5’000 Nodes im Netzwerk vorhanden.
Abbildung 5: Nach einem leichten Rückgang der Hashrate (und der Schwierigkeiten) gegen Ende 2018/Anfang 2019, als die Talsohle im Bärenmarkt erreicht war, erzielte die Hashrate von Bitcoin – und damit die Sicherheit – weiterhin Allzeithochs.
Im November 2012 und Juli 2016 fanden die beiden letzten “Halvening”-Events statt, bei denen die an die Miner ausgezahlte Blockprämie halbiert wurde. Nach dem Vier-Jahres-Rhythmus, der fest im Protokollcode von Bitcoin verankert ist, wird gegen Mai 2020 das nächste “Halvening” erfolgen.
Änderungen der “Geldpolitik” von Bitcoin 2020
Bei Blocknummer 630’000 wird die Belohnung, die Minern für die Suche nach dem Block ausgezahlt wird, von derzeit 12,5 BTC auf 6,25 BTC gesenkt. Der vorgegebene Zeitplan für die Ausgabe neuer Bitcoins sorgt für Knappheit: Es werden nie mehr als 21 Millionen BTC in Umlauf sein, und jeder Versuch, dies zu ändern – z. B. durch eine Hardfork –, dürfte in der Bitcoin-Community auf massiven Widerstand stossen.
Abbildung 6: Die Bitcoin-Emission wird alle vier Jahre halbiert. Derzeit liegt der Anteil der Bitcoin-Emission an Miner bei etwa 3,6% des gesamten Bestands pro Jahr. Im Mai 2020 wird diese Zahl auf rund 1,8% reduziert.
Der Höchstbestand von 21 Mio. BTC wird im Jahr 2140 erreicht. Da sich die Emission jedoch mit der Zeit aufgrund der Halbierungen verlangsamt, ist der Grossteil der jemals vorhandenen Bitcoins bereits heute geschürft. Der aktuelle Gesamtbestand liegt bei rund 18 Mio. BTC, also 85,7% des Höchstbestands. Ausserdem ist anzumerken, dass eine beträchtliche Menge an Bitcoins verloren gegangen sein dürfte, da die ursprünglichen Inhaber den Zugang zum privaten Schlüssel verloren haben. In eine Studie wird geschätzt, dass 2,3 bis 3,7 Millionen BTC dauerhaft verloren gegangen sind, was die effektive Gesamtmenge weiter reduziert.
In der Vergangenheit stiegen die Preise direkt im Anschluss an Blockprämien-Halvings über lange Zeiträume stark an.
Abbildung 7: Der Bitcoin-Preis hat nach Prämienhalbierungen bisher kräftige Aufwärtstrends verfolgt. Vom Zeitpunkt der Halbierung (schwarze Linie) bis zum nächsten Peak (gestrichelte Linie) wurden Renditen von 9’143% bzw. 2’890% erzielt.
Nun stellt sich die Frage, ob das dritte Reward-Halving zu einer ähnlichen Preisrallye führen wird. Grundsätzlich ist die Halbierung ein vorhersehbares Ereignis, und alle Informationen sind öffentlich zugänglich. Die angebotsseitige Erhöhung des Angebots- und Nachfragegleichgewichts wird demnach geringer ausfallen. Nach der Hypothese der effizienten Märkte sollte das Halving also eingepreist sein. Aber auch andere Faktoren wie die zunehmende Akzeptanz und die weitere Protokollentwicklung können zu den bisherigen Post-Halving-Rallyes von Bitcoin beigetragen haben. In einem Netzwerk, dessen wirtschaftliche Anreize für Miner aufgrund der höheren oder niedrigeren Hashrate in direktem Zusammenhang mit der Netzwerksicherheit stehen, ist der Preis sicherlich eine nicht zu vernachlässigende Variable.
Auswirkungen des “Halving”
Ab Mai 2020 wird die Blockprämie für Netzwerksicherheit verringert, was sich erheblich auf das Mining-Geschäft auswirken wird. Die Kosten für das Schürfen eines BTC hängen von einer Vielzahl von Faktoren wie Stromkosten, Mining-Schwierigkeiten und Hashrate pro Stromeinheit ab. In einer aktuellen Studie wurden die Kosten für den Abbau von 1 BTC bei einem Strompreis von 0,05 USD/kWh auf rund 5’600 USD geschätzt. Diese Kosten werden nach der Halbierung erheblich steigen, was insbesondere Miner beeinträchtigen dürfte, die ältere Mining Rigs verwenden, und ein Ausscheiden der Geräte mit niedrigeren Hashrate-to-Power-Quoten zur Folge haben sollte.
Frühere Halbierungen hatten jedoch keine Verringerung der Hashrates zur Folge (siehe Abbildung 5 oben). Vielmehr sorgten in beiden Fällen die anschliessenden Preisrallyes dafür, dass das Mining-Geschäft rentabel blieb. Die Zeit nach dem ersten Halving markierte auch das Aufkommen von ASICs (Application-Specific Integrated Circuits), was zu immensen Effizienzsteigerungen gegenüber älteren Methoden wie CPU, GPU oder FPGA (Field-Programmable Gate Arrays) führte – eine Tatsache, die ihren Footprint im Hashrate-Diagramm hinterliess.
Ein Block Reward Halving senkt drastisch den Betrag, den das Protokoll unabhängig von der Netzwerknutzung an die Miner auszahlt (d. h. Transaktionsgebühren) – beim nächsten Mal von 1’800 BTC pro Tag auf 900 BTC pro Tag.
Derzeit machen die Transaktionsgebühren nur etwa 2% der gesamten Minereinnahmen aus. Da die Gesamteinnahmen der Miner eng mit der Hashrate und damit der gesamten Netzwerksicherheit zusammenhängen, gibt es drei mögliche Szenarien. Erstens könnte sich der Bitcoin-Preis wie nach den ersten beiden Halvings erholen; in diesem Fall bleiben die Miner profitabel und die Hashrate wird weiter steigen. Das zweite Szenario, in dem das On-Chain-Transaktionsvolumen und die Gesamttransaktionsgebühren stark ansteigen würden, führt zum selben Ergebnis. Wenn jedoch keines dieser beiden Ereignisse eintritt, könnte die Hashrate abnehmen, da die Miner mit den höchsten Produktionskosten pro BTC unrentabel geworden sind.
Das zweite Szenario – eine Zunahme des On-ChainTransaktionsvolumens – steht auch in engem Zusammenhang mit der Diskussion über die Blockgrösse, die letztendlich zu den Hardforks führte, durch die Bitcoin Cash (eine Fork von Bitcoin) und Bitcoin SV (eine Fork von Bitcoin Cash) entstanden sind. Die beiden konkurrierenden Chains zielen darauf ab, die derzeitigen Skalierbarkeitsbeschränkungen von Bitcoin auszusetzen, indem sie die Blockgrösse erhöhen und so mehr Transaktionen pro Block ermöglichen. Bitcoin hat derzeit eine Blockgrössenbegrenzung von 1 MB, obwohl der Einsatz von SegWit – der die Transaktions-Formbarkeit von Bitcoin verbessert und die Skalierung unterstützt – effektiv eine Berücksichtigung von Transaktionen im Wert von bis zu 4 MB ermöglicht. Die Blockgrössengrenze von Bitcoin Cash beträgt 32 MB. Bitcoin SV hob das Limit im Juli 2019 mit dem Protokoll-Upgrade Quasar auf 2 GB an. Dies zeigt auf, dass zwischen den Chains unterschiedliche Skalierungsansätze verfolgt werden: Während Bitcoin eine Off-Chain-Skalierung durch Second-Layer-Lösungen wie beim Lightning Network anstrebt, argumentieren Bitcoin-Cash- und Bitcoin-SV-Befürworter, dass die Skalierung hauptsächlich direkt on-chain erfolgen sollte.
Eine weitere interessante Tatsache ist, dass sowohl Bitcoin Cash als auch Bitcoin SV voraussichtlich im April 2020 ihre Blockprämien-Halvings durchlaufen werden, und somit einen Monat früher als Bitcoin. Da sich auch alle drei Chains den gleichen Hash-Algorithmus teilen, wird ein Grossteil der Hashrate von BCH und BSV höchstwahrscheinlich einen Monat lang auf Bitcoin verlagert werden (bis auch hier das Halving erfolgt ist).
Die Rolle von Bitcoin als Investment und Wertaufbewahrungsmittel
Die Verschuldung nimmt weltweit zu. Jüngsten Schätzungen zufolge wird die globale Verschuldung bis Ende 2019 auf 255 Billionen USD ansteigen. In Europa und der Schweiz sind die Zinsen bereits negativ und die US-Notenbank Fed senkte ihr Zielband Ende Oktober 2019 auf 1,5%-1,75% . Bitcoin ist mit dem Ausbruch der Finanzkrise 2007 entstanden und bietet aufgrund des definierten Emissionsplans ein Hartgeldsystem. Dies ist heute vor allem in Ländern mit Währungen relevant, die aufgrund der anhaltenden Inflation durch die Regierung Vertrauensprobleme haben wie etwa Argentinien oder Venezuela, wo das Handelsvolumen von localbitcoins (einer Peer-to-Peer-Tradingplattform) Rekordwerte erreicht hat. In diesen Volkswirtschaften mit Kapitalmarktbeschränkungen dient Bitcoin ähnlich wie Gold als Wertspeicher – mit der zusätzlichen Eigenschaft, dass es von repressiven Regierungen deutlich schwieriger zu konfiszieren ist.
Aber auch in Ländern, in denen hinsichtlich der Landeswährung weiterhin ein Gefühl der Sicherheit vorherrscht, macht Bitcoin als Teil eines gut diversifizierten Portfolios Sinn, und zwar aufgrund eines Merkmals: die geringe Korrelation mit anderen Märkten wie für Aktien oder Gold.
Abbildung 8: Bitcoin ist gering mit Aktien (zum Beispiel S&P 500 oben) als auch Gold (GLD unten) korreliert.
Seit Mitte 2015 weist Bitcoin eine Korrelation von 0,096 zum S&P 500 und eine Korrelation von 0,020 zu Gold auf, während sich die Gesamtrendite auf etwa 3’000 % beläuft. Durch die Bestückung des Portfolios mit Bitcoin wurden also sowohl die Diversifikation als auch die risikobereinigten Renditen verbessert. Dies mag auch in den kommenden Jahren der Fall sein, insbesondere wenn die Notenbanken die Geldmenge weiter erhöhen und ihre Politik zur Ankurbelung von Investitionen fortsetzen.
Fazit
Bitcoin ist heute stärker als je zuvor, und fundamentale Kennzahlen wie die Hashrate erreichen fortgesetzt Rekordwerte. Das mit grösster Spannung erwartete Ereignis im Jahr 2020 ist das Blockprämien-Halving, durch das die Emission an Miner von 12,5 auf 6,25 BTC pro Block gesenkt wird. Dies hat in der Vergangenheit zu erheblichen Preisrallyes geführt, was sich positiv auf die gesamte Netzwerksicherheit auswirkte, da die Rentabilität der Miner hoch blieb und längerfristige Investitionen in Mining Equipment gefördert wurden.
Damit die Netzwerksicherheit auch nach dem Halving im Mai 2020 auf dem aktuellen Stand bleibt, muss entweder der Preis steigen oder die entgangenen Minereinnahmen müssen durch Transaktionsgebühren ausgeglichen werden. Die Bitcoin-Kontrahenten Bitcoin Cash und Bitcoin SV wollen dieses Problem lösen, indem sie die Blockgrösse erhöhen, was mehr Transaktionen und damit potenziell mehr Gebühren insgesamt zur Netzwerkfinanzierung ermöglicht. Der Skalierungsansatz von Bitcoin konzentriert sich nach wie vor auf die Entwicklung von Second-Layer-Lösungen wie das Lightning Network. Da dann weniger Transaktionen direkt auf der Blockchain erfasst werden müssten, wären steigende Gebühren tolerierbar.
Bitcoin bleibt auch als Anlage attraktiv – nicht nur aufgrund der historischen Performance, sondern auch dank der geringen Korrelation zu anderen Märkten. Das Halten von Bitcoin ist zum Teil auch eine Wette auf einen künftigen Store of Value. Dies könnte ein relevanterer Anwendungsfall als je zuvor sein, da Rezessionsängste derzeit weltweit zunehmen.