Von Nodes zur neuen Anlageklasse – Der innovative Krypto-FinTech-Stack

14.02.2022

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Zusammenfassung:

  1. Der Krypto-FinTech-Stack ist heute derart ausgereift und fachgerecht, dass professionelle und institutionelle Anleger Kryptowährungen als investierbare Anlageklasse berücksichtigen können.
  2. Handels- und Verwahrungslösungen für Krypto-Assets spiegeln die allgemeine Funktionalität traditioneller Kapitalmarktinfrastruktur wider, sind jedoch mit einzigartigen Herausforderungen verbunden.
  3. Das Hinzufügen von DeFi zur bestehenden Tech-Stack-Struktur könnte sich als schwierig erweisen und Kompromisse zwischen Benutzerfreundlichkeit, Dezentralisierung und Marktnachfrage erforderlich machen.

Der Bitcoin Faucet war einfach genial.

Die von Gavin Andresen 2010 aufgelegte Website verloste BTC 5 pro Tag unter allen Besuchern. Damit sollte in erster Linie so viel Bitcoin wie möglich in die Hände möglichst vieler verschiedener Personen gespielt werden.

Heute werden Bitcoin und Kryptowährungen nicht mehr in einem kleinen Nischenmarkt, sondern in einem riesigen Weltmarkt gehandelt.

Aber die Expansion der Kryptowelt bringt sowohl Herausforderungen als auch Chancen mit sich. Während unter Early Adoptern von Bitcoin und anderen Kryptowährungen vor allem die Technologie im Vordergrund stand, hat sich das Interesse der jüngsten Anlegergeneration weiter von den Grundlagen entfernt. Obwohl sie von der Dezentralisierung fest überzeugt sind, wird nur eine Minderheit von ihnen jemals einen eigenen Vollknoten betreiben oder über eine mobile Wallet verfügen.

Die Anleger heute wollen einfach an den Aufwärtstrends eines fast USD 3 Bio. schweren (und weiter wachsenden) Marktes teilhaben.

Diese Entwicklung hin zu einer völlig neuen Anlageklasse hat zudem erhebliche Auswirkungen auf die Infrastruktur. Aufgrund der steigenden Komplexität der Märkte wird die Blockchain-Technologie der Base-Layer, die zuerst im Bitcoin-Whitepaper erläutert wurde, mit anderen Infrastrukturen verbunden, die die Entwicklung von immer komplexeren Finanzprodukten rund um Krypto-Assets ermöglichen. Von globalen Spot-Handelsplätzen mit einem Volumen von mehreren Milliarden Dollar bis hin zu Derivatebörsen und börsengehandelten Produkten verschiedener Art – die technischen Folgen des Aufstiegs von Kryptowährungen in die sogenannten “oberste Liga” sind beträchtlich.

Dies wirft mehrere Fragen auf:

Wie entwickelt sich der aktuelle Tech-Stack hinter Krypto-Finanzdienstleistungen? Was müssen die Dienste leisten, die Anleger für den Zugang zu Kryptowährungen nutzen? Wie wird DeFi in das aktuelle Netzwerk von Finanzdienstleistungslösungen integriert, die für Krypto-Assets entwickelt werden?

Und vielleicht am wichtigsten: Was bedeutet der sich entwickelnde Krypto-FinTech-Stack für professionelle und private Investoren und Nutzer?

Handel – vom Peer-to-Peer zum Finanzmarktplatz

Seit dem berüchtigten Hack der Mt.Gox Exchange 2013 liegt der Fokus in der neuen Branche für Krypto-Finanzdienstleistungen auf der Technologie, die für den Handel mit Kryptowährungen verwendet wird. Bei ihrer Gründung 2010 erschien Mt.Gox noch wie ein Geschenk des Himmels: Noch kurz vor ihrem Scheitern wurden über die Exchange mehr als 70 % aller Bitcoin-Transaktionen abgewickelt.

Der Diebstahl in Höhe von BTC 850’000 verdeutlichte jedoch die technische Anfälligkeit einer zentralen Börse wie Mt.Gox. Diese Handelsplätze übernehmen im Wesentlichen die meisten (wenn nicht alle) Aufgaben, die auch von einer Reihe von Anbietern in traditionellen Märkten ausgeführt werden: Kontoführung, Verwahrung, Auftragsabgleich und -ausführung sowie Abwicklung und Clearing.

Gleich herkömmlichen Marktinfrastrukturanbietern stützen sich auch zentrale Kryptobörsen auf ein Auftragsbuch und ein sekundenschnelles Abgleichsystem, um Käufer und Verkäufer zusammenzubringen. Diese Systeme sind heute deutlich ausgereifter und leistungsfähiger, so dass die heute weltweit grösste Börse, Binance, ein Handelsvolumen von mehr als USD 750 Mrd. verarbeiten soll.

Während jedoch die Integrationsfähigkeit von Kryptobörsen wie Coinbase, Binance und Kraken eine relativ reibungslose Nutzererfahrung ermöglicht, sind diese Börse aufgrund ihres Verwahrungskonzepts (private Schlüssel von Krypto-Assets werden von der Börse und nicht von Nutzern gehalten) und der Tatsache, dass Vermögenswerte überwiegend in Pools mit denen anderer Kunden gehalten werden, in vielerlei Hinsicht zu einer Zielscheibe geworden.

Zentrale Börsen sind ständig von Hackern bedroht. Ausserdem können sie bei hoher Nutzung in Spitzenhandelszeiten unter Druck geraten. Das hat die Kritik angefacht, wobei der Ethereum-Mitgründer Vitalik Buterin 2018 sogar die berühmten vernichtenden Worte sprach: “Ich hoffe sehr, dass die zentralen Börsen so lange wie möglich in der Hölle schmoren werden.”

Lothar Cerjak ist Head of Trading and Brokerage bei Bitcoin Suisse. Zuvor leitete er das Team Institutional Services and Products des Unternehmens und hatte verschiedene Managementpositionen bei Credit Suisse inne.


1. Ähneln Kryptomärkte immer mehr den traditionellen Märkten, auch bezüglich dem technologischen Aspekt? Und ist das von Vorteil?

Im Allgemeinen stellen wir ein zunehmendes Mass an Professionalität in der Kryptohandelsbranche fest. Die Infrastruktur von Kryptobörsen und Liquiditätsanbietern hat sich stetig verbessert, und in Kombination mit höheren Handelsvolumina seitens wichtiger Handelsinstitute und einer zunehmenden Handelsautomatisierung sind die Märkte effizienter geworden, was positiv ist. Aufgrund der dezentralen Landschaft und der Innovationsgeschwindigkeit der Branche dürften Kryptomärkte im Vergleich zu traditionellen Märkten jedoch nicht mehr dieselbe technologische Synchronisierungsfähigkeit aufweisen.

2. Ist es künftig möglich, dass zentrale und dezentrale Kryptobörsen enger miteinander verknüpft sind? Was sind die jeweiligen Gründe dafür?

Marktliquidität ist derzeit vor allem an zentralen Börsen verfügbar. Das Interesse an dezentralen Finanzanwendungen sowie das darin investierte Kapital sind in den letzten 18 Monaten jedoch exponentiell gestiegen. Wie sich des Weiteren beobachten lässt, investieren zentrale Börsen zunehmend in den Aufbau von DeFi-Produkten und -Infrastruktur. Dies deutet darauf hin, dass der Weg hin zu mehr Vernetzung zwischen zentralen und dezentralen Handelsplätzen geebnet wird. Dennoch sind sicherlich eindeutigere rechtliche Rahmenbedingungen erforderlich, damit DeFi-Anträge vollständig in die Handelsverfahren regulierter Broker-Unternehmen eingebettet werden können. Darüber hinaus wird erwartet, dass das zunehmend wichtige Thema der Skalierbarkeit die Eintrittsbarrieren für dezentrale Börsen verringern wird, indem die derzeit erhöhten Transaktionskosten in Angriff genommen werden und diese Börsen somit für ein breiteres Publikum zugänglich werden.

3. Bieten die integrierte Technologie und das Angebot der grossen Kryptobörsen wie Binance, Coinbase oder Kraken wirklich die besten Möglichkeiten für den Kryptohandel? Was sind die jeweiligen Gründe dafür?

Kryptobörsen sind in Bezug auf Liquidität, Domizil, Rechtsstatus, Technologieinfrastruktur und Kundenbasis sehr unterschiedlich gestrickt. Es wird daher dringend empfohlen, Transaktionen über einen Broker und einen soliden Partner wie Bitcoin Suisse abzuwickeln, die mit mehreren Handelsplätzen verbunden sind, um die bestmögliche Ausführung der Handelsgeschäfte zu gewährleisten. Beim Handel mit volatilen Vermögenswerten auf dem Kryptomarkt hat es sich als sinnvoll erwiesen, nicht nur auf eine Börse zu bauen, sondern “smart” zu handeln – mit anderen Worten, ein Handelssystem die beste Liquidität und die besten Bedingungen für Transaktionen mit “Best Execution”-Service finden zu lassen.


Eine Reaktion auf die Schwächen zentraler Handelsplätze im Bereich Verwahrung war der Aufstieg dezentraler Börsen (DEX), wobei Uniswap, Pancake Swap und Curve einige der bekannteren Beispiele sind. Marktteilnehmer können ihre Assets an diesen Börsen bündeln, um Liquidität zu schaffen, und das Market-Making erfolgt mithilfe eines Blockchain-basierten Protokolls und Smart Contracts. Dabei können Gebühren automatisch unter den Nutzern verteilt werden, die Liquidität bereitstellen.

Befürworter weisen darauf hin, dass dezentrale Börsen eher den ursprünglichen Grundsätzen der Blockchain-Technologie folgen, da Handel, Kreditvergabe und Kreditaufnahme auf Peer-to-Peer-Basis ohne Vertrauen erfolgen. In diesem Sinne stellen sie eine “Rückkehr zu den Wurzeln” von Bitcoin als Peer-to-Peer-System dar.

Die anfangs weniger bedienerfreundlichen DEX haben sich im letzten Jahr stark verbessert und das DEX-Volumen ist weiter gestiegen, während die Innovationen über den einfachen Austausch von Assets hinausgehen. Die Einführung von Uniswap V3 – mit höherer Flexibilität bei der Kapitalallokation und einer neuen Gebührenstruktur – eröffnet mehr Möglichkeiten, während der Handel mit Optionen über andere Börsen wie dydx dezentral betrieben werden kann.

Trotz der Innovationen im Bereich Dezentralisierung sind zentrale Börsen nach wie vor die wichtigsten Akteure für den Handel mit Krypto-Assets. Neue Akteure wie FTX, deren Marktanteil seit Mai 2020 dramatisch gestiegen ist, kommen ebenfalls ins Spiel. Es scheint also noch viel Handlungsspielraum vorhanden zu sein. Der Fintech-Riese Revolut strebt seinerseits angeblich den Aufbau einer eigenen Börse an.

Angesichts dieser vielen Optionen bleibt die Marktinfrastruktur für Krypto-Assets relativ fragmentiert, und die steigende Anzahl von DEX erhöht die Komplexität dieser Herausforderung. Angesichts der Verteilung der Liquidität auf mehrere Handelsplätze können Preisunterschiede auftreten und Händlern können Verluste entstehen.

Verschiedene Unternehmen wie CoinRoutes und AlgoTrader haben jedoch ausgereifte smarte Orderrouting-Dienste entwickelt, die dabei helfen, die Orderbücher von zentralen Börsen miteinander zu verknüpfen, um die Kopplung an eine einzige Börse zu verhindern. Ein ebensolcher Trend ist auch auf der dezentralen Seite des Handelsraums zu beobachten, wobei DEX-Aggregatoren wie 1Inch.Exchange, ParaSwap und Tokenion immer beliebter werden.

Diese Services tragen dazu bei, die bestehende Kluft zum breiten Weltmarkt zu schliessen und einen Best Execution-Service für grössere Handelsgeschäfte bereitzustellen, der das Preisniveau nicht beeinträchtigt.

Die Verwahrung von Krypto-Assets – eine Gebrauchsanleitung

Seit den Anfängen von Bitcoin Faucet wurde auch die Verwahrung von Krypto-Vermögenswerten erheblich verbessert. Und auch hier gibt es Anzeichen dafür, dass die Branche eine solide Infrastruktur entwickelt, die einer neuen globalen Anlageklasse würdig ist.

Die Verwahrung von Krypto-Assets baut auf dem einfachen Grundsatz auf, dass der private Schlüssel sicher aufbewahrt wird. Je nach Bedarf der Nutzer können für die Verwahrung jedoch unterschiedliche Technologien eingesetzt werden. Frühe Krypto-Inhaber hatten eventuell noch die Kontrolle über Papier-Wallets und rudimentäre Desktop-Wallet-Anwendungen. Diese erfüllen jedoch nicht die Anforderungen institutioneller Investoren, die die sichere Verwahrung von Milliarden von Krypto-Assets gewährleisten müssen.

Besonders wichtig ist dabei die Verwahrung von Krypto-Vermögenswerten im Handelsprozess. Kundenvermögen, das an Börsen in Pools verwahrt wird, ist zuweilen Hacks ausgesetzt, die sich einigen Schätzungen zufolge in den Jahren 2017 und 2018 im Schnitt auf USD 2,7 Mio. pro Tag beliefen. Die meisten Blockchain-Protokolle bieten weiterhin Sicherheit. Die zweiten und dritten Layers des Tech-Stack, die zur Verwaltung der Krypto-Handelsinfrastruktur, der Kundendaten und der Schlüssel von so genannten “heissen” (Online-)Wallets verwendet werden, sind jedoch häufig anfällig.

Finanzdienstleister im Krypto-Bereich begannen daher schnell, sicherere Lösungen zu entwickeln. Ausgehend von der Trezor-Wallet im Taschenformat wurden ausgefeiltere Systeme für die Cold (Offline-)Storage von Kryptowährungen entwickelt. Bei einigen kamen Hardware Security Module (HSM)-basierte Systeme zum Einsatz, bei anderen Multi-Party Computation (MPC), um sicherzustellen, dass private Schlüssel nicht vollständig physisch gespeichert oder potenziell böswilligen Parteien offengelegt werden müssen.

Diese decken aus mehreren Gründen die Anforderungen institutioneller Anleger umfassender ab. Erstens sind solche Systeme mit mehreren Sicherheitsebenen ausgestattet, wobei eine Technologie verwendet wird, die das Offenlegen privater Schlüssel verhindert, wie zum Beispiel HSMs, die für andere Anwendungsfälle ausserhalb des Krypto-Bereichs getestet wurden. Zum Zweiten können mehrere Personen an der Übertragung von Vermögenswerten beteiligt sein, was in Finanzinstituten, in denen mehrere Genehmigungen oder Aufsichtsebenen erforderlich sind, häufig eine zwingende Voraussetzung ist. Und drittens können diese Systeme auditiert werden, um ihre Qualität und Integrität zu gewährleisten, was insbesondere für Banken, Vermögensverwalter und andere professionelle Organisationen von hoher Bedeutung ist.

Markus Perdrizat ist Head of Product Management and Custody bei Bitcoin Suisse. Zuvor leitete er das Blockchain Competence Center von PwC und arbeitete als Global Oracle Engineering Lead bei UBS.


1. Die Verwahrung von Krypto-Assets wird immer anspruchsvoller – wird sie aber auch sicherer? Was sind die jeweiligen Gründe dafür?

Die Verwahrung von Krypto-Vermögenswerten war von Anfang an ein risikoreiches Geschäft. Wir alle kennen Stories von Personen, deren Assets gestohlen wurden oder die aufgrund des Verlusts ihrer privaten Schlüssel ihre digitalen Vermögenswerte nicht mehr entsperren konnten. Dadurch sind Milliarden verloren gegangen. Als einer der ersten Verwahrstellen haben wir jedoch mit dem Bitcoin Suisse Vault im Februar 2018 eine neue Stufe der Verwahrungssicherheit auf HSM-Basis für Unternehmen eingeführt. Seitdem hat sich die Situation für Vermögenswerte, die bei professionellen Verwahrstellen hinterlegt sind, deutlich verbessert.

2. Wie schätzen Sie die Integration von hypersicherer Storage und “aktiveren” Krypto-Finanzdienstleistungen wie Handel und Staking ein? Können Sie die Funktionsweise an einem Beispiel veranschaulichen?

Bitcoin und Kryptowährungen waren im Prinzip ein Fall für Early Adopter, die aus einer Vielzahl von sehr guten Gründen von der künftigen Wertsteigerung des Bitcoins überzeugt waren. Nunmehr gibt es Tausende, wenn nicht Millionen von Entwicklern, die dezentrale Finanzanwendungen auf Blockchains aufbauen und deren Funktionen nach dem Abbild der traditionellen Finanzdienstleistungswelt gestalten. Daher erwartet man nun, dass auch Kryptokapital eine Rendite erwirtschaftet. Ihr Geld muss für Sie arbeiten, genau wie in der traditionellen Finanzwelt. Lassen Sie uns näher auf das Staking eingehen. Es beschreibt einen Vorgang, der der Gewährung einer Gutschrift ähnelt, die Sie mit Zinsen zurückzuerhalten. Nur dass Sie bei Blockchain und Staking Ihr Kryptokapital sperren, um die Transaktionssicherheit des Netzwerks zu erhöhen, und dafür vom Netzwerk eine attraktive Belohnung erhalten.

3. Warum ist es für Banken und andere Finanzinstitute wichtig, jetzt mit der Verwahrung digitaler Vermögenswerte zu beginnen?

Digitale Assets haben heute eine Marktgrösse, die diese Institute nicht mehr ignorieren können. Parallel dazu hat die Kryptotechnologie einen Grad an Stabilität und Reife erreicht, der es selbst einem relativ konservativen Finanzinstitut die Zusammenarbeit mit Kryptounternehmen ermöglicht. Bitcoin Suisse startet vor acht Jahren mit der Entwicklung unseres Tech-Stack durch. Heute beschäftigen wir 100 Mitarbeitende, die im Bereich Informationstechnologie tätig sind. Durch die Verwahrung kann sich eine Bank die erforderlichen Fähigkeiten für den Umgang mit digitalen Vermögenswerten unter dem Gesichtspunkt von Regulierung und Cyber-Risiken aneignen und sich mit digitalen Assets vertraut machen, bevor kompliziertere Produkte in den Mix eingebracht werden.


Angesichts der steigenden Nachfrage von anspruchsvolleren Investoren und Instituten hat eine wachsende Zahl von Akteuren ihre eigenen Systeme für die integrierte Verwahrung digitaler Vermögenswerte entwickelt. Die weltweit grösste Depotbank BNY Mellon hat im letzten Jahr massive Investitionen getätigt, um Support für Krypto-Assets anbieten zu können. Das erklärte Ziel war der Aufbau eines Verwahrungssystems mit demselben Sicherheitsniveau, das die Bank für die derzeit von ihr verwahrten traditionellen Vermögenswerte im Wert von über USD 40 Bio. verwendet. In der jüngsten Ausgabe des PwC-Berichts Crypto Hedge Fundwird ebenfalls darauf hingewiesen, dass Kryptofonds auf eine stärkere Integration von Verwahrungslösungen in ihre eigene Infrastruktur zusteuern.

Ein Bereich, der die Nachfrage nach hochwertigen Krypto-Verwahrungsdiensten ankurbeln und die Entwicklung des Krypto-FinTech-Stack weiter vorantreiben könnte, ist der Trend, Bitcoin und andere Krypto-Assets in den Finanzverwaltungssystemen von Unternehmen zu halten. Mit starken Befürwortern wie MicroStrategy und Square, die beide Bitcoins in ihrer Bilanz aufführen, nimmt der Trend weiter an Fahrt auf, insbesondere angesichts der anhaltenden Inflation und der Niedrigzinsen.

Staking – hin zu kryptonativen Finanzdienstleistungen

Ein neuer Schritt des Krypto-FinTech-Stack ist die Unterstützung von Diensten, die für Blockchain-basierte Assets nativ sind. Einer dieser Dienste ist das Staking.

Aufgrund des Interesses an beliebten Proof-of-Stake-Blockchains wie Tezos und Cosmos entstand ein Pool an Dienstleistungen, mit denen Inhaber von Krypto-Assets Staking-Prämien verdienen können, ohne Staking-Nodes zu betreiben oder die Infrastruktur zu warten. Dies war ein Glücksfall für die erste Welle von Investoren in Krypto-Vermögenswerte, die technisch wenig versiert waren.

Mit dem Start von Polkadot (und zuvor dessen “Kanarienvogel”-Netzwerk Kusama) sowie der Beacon Chain von Ethereum 2 im Jahr 2020 verstärkte sich das Interesse rund um die Teilnahme an Blockchain-Netzwerken mit Proof-of-Stake-Mechanismus. Die aktuelle Marktkapitalisierung (zum Zeitpunkt des Schreibens) aller wichtigen Staking-Währungen beläuft sich nunmehr auf fast USD 500 Mrd. mit einem gestakten Gesamtwert von rund USD 380 Mrd.

Mehrere grosse Börsen wie Binance, Kraken und Coinbase haben Staking-Services in ihr Kundenangebot integriert. Bitcoin Suisse bietet zudem einen integrierten Service, der die direkte Verknüpfung von Handelskonten und Staking-Konten gewährleistet.

Michael Gauckler ist Head of Product Development bei Bitcoin Suisse und hat einen Master in Engineering der ETH Zürich und einen Master in Finance der Universität Zürich.


1. Was sind die grössten technischen Herausforderungen für Interessierte, die sich an Blockchain-Netzwerken mit Proof-of-Stake beteiligen möchten?

Proof-of-Stake stellt eine Gefahr für Ihre Einsätze da, wenn Sie kein ehrlicher und zuverlässiger Validator im Blockchain-Netzwerk sind. Sich als ehrlicher Validator zu positionieren, ist einfach. Sie müssen lediglich nicht die Absicht verfolgen, Blockchains angreifen oder betrügen zu wollen. Als zuverlässiger Validator sind Sie jedoch mit verschiedenen technischen Herausforderungen konfrontiert: Sie müssen sich stets auf dem neuesten Stand halten, d. h. Sie müssen über die geeignete Validator-Software verfügen, präsent sein und eine sehr hohe Verfügbarkeit unter Beweis stellen. Zudem müssen Sie wissen, was zu tun ist, wenn Turbulenzen auftreten, d. h. Sie müssen schnell und korrekt bei Netzwerkinstabilitäten oder ähnlichen Ereignissen reagieren können. Die technische Betriebsdisziplin von Validatoren ist also eine Kombination aus dem Betrieb von Rechenzentren, tiefen Einblicken in die Technologie und soliden Beziehungen zur Community der Staking-Projekte.

2. Hat der Branchentrend von Proof-of-Work zu Proof-of-Stake-Blockchains nur Vorteile oder gibt es Gründe, die diesen Trend abbremsen könnten?

Der Trend zu Proof-of-Stake-Blockchains wird sich sicherlich fortsetzen und zur Entstehung einer Reihe von Blockchains mit geringfügig anderen Designs, Stärken und daraus resultierenden Anwendungsfällen führen. Diese reichen von Decentralized Finance über das Internet of Things bis hin zu anderen Anwendungen.

Dabei dürfte Bitcoin wahrscheinlich als einzige Ausnahme diesem Trend nicht folgen. Der wichtigste Grund dafür ist seine Stabilität, die sich aus der Einfachheit des Proof-of-Work-Algorithmus in Kombination mit einer Erfolgsbilanz von mehr als 13 Jahren ableiten lässt. Proof-of-Stake-Blockchains sind komplexer im Design, weshalb es schwieriger ist, ihre Stabilität unter extremen Bedingungen oder Randbedingungen wie einer starken Konzentration von Assets mit wenigen Inhabern zu beurteilen.

Ich gehe aber davon aus, dass sich dieser Trend insgesamt mit dieser einen Ausnahme fortsetzen wird.

3. Glauben Sie, dass Banken und traditionelle Finanzinstitute irgendwann ihre eigenen Staking-Dienste einrichten könnten? Was sind die jeweiligen Gründe dafür?

Ich gehe in jedem Fall davon aus, dass Banken und traditionelle Finanzinstitute letztendlich Staking-Dienste anbieten werden. Diese könnten sogar in andere eingebettet sein, so dass die Dienste für Kunden nahezu unsichtbar bleiben. Beispiele dafür könnten Geldkonten sein, die in einigen Ländern implizite Geldmärkte sind, d. h. zinstragende Konten. Im Hinblick auf Anreize ist es ein Geben und Nehmen: Personen, die eine Währung halten, sollten diese zur Absicherung des Netzwerks einsetzen. Als Anreiz dafür erhalten sie eine entsprechende Belohnung. Die Institute, die diese Blockchain-Systeme betreiben, erhalten eine Servicegebühr, die von der Belohnung abgezogen wird. In erster Linie geht es darum, diese Anreize in ein Gleichgewicht zu bringen. Die Protokolle und Institute, die das richtige Gleichgewicht finden, werden erfolgreich sein und weiter wachsen.


Während jedoch der Handel und die Verwahrung von Krypto-Vermögenswerten den Abläufen an traditionellen Märkten sehr ähnlich sind, sind Staking-Dienste mit neuen Herausforderungen verbunden. Die Assets werden gestakt und gesperrt (so dass sie für den Handel nicht verfügbar sind) und zwar je nach Protokoll über unterschiedliche Zeiträume. Belohnungen können in unterschiedlicher Höhe zugewiesen werden, wobei der korrekte Umgang mit Validatoren und gestakten Assets für die Maximierung der Belohnung unerlässlich ist.

Kurz gesagt: Dieses Niveau des Tech-Stacks für Krypto-Finanzdienstleistungen erfordert weitaus tiefergehendes technisches Know-how und durchdachtere Prozesse.

Die Entwicklung eines integrierten Tech-Stack, der Staking-Services beinhaltet, wirft auch die Frage der Verwahrung erneut auf. Bei den Staking-Diensten kann es sich sowohl um Verwahrungsdienste (private Schlüssel werden vom Serviceanbieter gehalten) als auch Nicht-Verwahrungsdienste (Schlüssel werden vom Nutzer/Kunden gehalten) handeln. Viele grosse Staking-Anbieter, insbesondere Kryptobörsen und Broker wie Bitcoin Suisse und Kraken, betreiben Verwahrungs-Staking-Dienste. Einerseits verbessert dieser Ansatz die Kundenerfahrung und entlastet die Kunden von technischen Problemen. Andererseits erfordert der Ansatz ein hohes Mass an Vertrauen in die Professionalität und das Know-how des Dienstleisters.

In diesem Sinne ist die Kombination von Verwahrung und Staking – zusammen mit vielen anderen entstehenden kryptonativen Finanzdienstleistungen – ein wichtiger Dreh- und Angelpunkt im wachsenden Krypto-FinTech-Stack. Dieser Bereich sollte sich schnell weiterentwickeln, sobald neue Blockchain-Netzwerke mit Proof-of-Stake live gehen und die Nachfrage nach Staking-Diensten steigt.

Die Kombination aus hochsicheren Verwahrungsdiensten und Know-how für Krypto-Technologie ermöglicht es Instituten, das Potenzial von Staking für ihre Kunden auszutesten. Mit dem CodeFi-Staking-Service bietet ConsenSys ein massgeschneidertes Angebot speziell für grössere Unternehmen. Mehrere Banken, darunter einige mit Sitz in der Schweiz, haben Staking-Produkte für ihre Kunden eingeführt. Im aktuellen Niedrigzinsumfeld sind Krypto-Assets mit Renditen von 6, 10 oder sogar 13 % äusserst attraktiv.

Der vollständige(re) Krypto-Stack – Zukunftsaussichten

Seit den Tagen des Bitcoin Faucet haben sich die technische Infrastruktur und das Tooling für Krypto-Assets erheblich weiterentwickelt. Professionelle Verwahrstellen für die sichere Aufbewahrung, Multi-Börsen-Brokerage-Systeme für den Handel mit bester Ausführung und zunehmend einfach zu bedienende Einsätze – die Krypto-Finanztechnologie war noch nie so robust und vielfältig wie heute.

Folglich können immer mehr professionelle Investoren die Kryptowährungen als neue investierbare Anlageklasse betrachten. Dank solider technischer und professioneller Anbieter können börsengehandelte Produkte (ETPs) und börsengehandelte Fonds (ETFs) in Kürze aufgelegt werden. Einigen Berichten zufolge haben sich die Assets in solchen Produkten auf über USD 9 Mrd. verdreifacht.

In der globalen Landschaft werden Tools und Systeme zur Unterstützung von Krypto-Asset-Märkten zunehmend integrierter und benutzerfreundlicher. Privatkunden und Institutionen können nun über eine übersichtliche, einfach zu verwaltende Schnittstelle auf Prime Brokerage-Dienste zugreifen, Assets von einer sicheren Cold-Storage-Lösung aus steuern und sie sogar staken und Belohnungen dafür verdienen.

Das erneute Staking von Krypto-Assets, das Bonding und Unbonding per Mausklick und sogar die Tokenisierung von gesperrten Staking-Coins, um den Handel zu ermöglichen, sind alles Beispiele dafür, wie ein Full-Stack-Ansatz den Kunden zugutekommt und Krypto, zumindest was die Zugänglichkeit betrifft, auf das Niveau bekannterer Anlageklassen bringt.

Eine Verlangsamung der Kryptotechnologie ist jedoch nicht abzusehen. Die Explosion der Decentralized Finance (DeFi) mit einem gebundenen Gesamtwert (TVL) von mehr als USD 100 Mrd. hat viele weitere Möglichkeiten eröffnet. Davon sind die meisten, wie Yield Farming, Kreditvergabe und sogar dezentrale Zahlungen, von Natur aus kryptonativ und auf die Blockchain-Welt beschränkt. Dies stellt den Tech-Stack von Krypto-Finanzdienstleistern vor weitere Herausforderungen.

Um der nächsten Innovationswelle gerecht zu werden, müssen weitere Tools und Technologien entwickelt werden. Einige gibt es bereits, wie die beliebte Retail Wallet MetaMask, die kürzlich als Version für institutionelle Anleger aufgelegt wurde, um einen breiteren Zugriff auf DeFi und dezentrale Anwendungen (dApps) zu bieten. Andere wie das dezentrale Kreditvergabeprotokoll Aave haben Versionen speziell für Unternehmen auf ihrer Plattform angekündigt. Dadurch kann sich der Zugang zu dezentralen Finanzprotokollen und den darauf stattfindenden Aktivitäten verbessern. Diese Entwicklung kann aber auch dazu führen, dass DeFi in traditionellere Strukturen verpackt wird und die Dezentralisierung letztendlich in Frage gestellt ist.

Insgesamt wird der Innovationsfluss in der Krypto-Finanztechnologie so stark wie nie zuvor vorangetrieben, und der Tech-Stack wächst weiter, wobei einige Normen infrage gestellt werden, anderen aber Folge geleistet wird.

Für viele neue Anleger ist der Einstieg in Bitcoin und Kryptowährungen heute vielleicht ebenso einfach, wie es war, BTC aus dem Bitcoin Faucet zu erhalten – und das ist gut so. Diejenigen jedoch, die auf das ideale Nutzererlebnis oder institutionelle Dienste warten, könnten einige frühe Trends wie DeFi (oder was auch immer als nächstes kommt) verpassen, während der Tech-Stack aufholt.

Ian Simpson

Senior Marketing & Communication Manager