Saisonalität, das Bitcoin-Halving, US-Amerikanische Wahlen & Leitzinssenkung der Fed
03.10.2024 - 8 Minuten Lesedauer
Sie kennen wahrscheinlich den berühmten Song der US-amerikanischen Rockband Green Day, «Wake Me Up When September Ends». In der Welt des Investierens, vor allem bei US-Aktien, hat der Ausdruck allerdings noch eine über den Songtitel hinausgehende Bedeutung.
In den letzten Wochen wurde viel über die sogenannte Saisonalität von Aktien und Bitcoin gesprochen. Dies hat seine Gründe: Die Monate August und September sind für die US-Aktienmärkte und Bitcoin die Monate mit der historisch schlechtesten Preisentwicklung.
Der S&P 500 weist für die Monate August und September seit dem Jahr 2010 eine durchschnittliche monatliche Preisentwicklung von -0,56 Prozent beziehungsweise -1,15 Prozent auf. Auf die beiden negativen Monate folgen der zweit- und drittbeste Monat, der Oktober mit +2,19 Prozent und der November mit +2,65 Prozent. Wobei einzig der Monat Juli mit einer durchschnittlichen Preisentwicklung von +2,75 Prozent einen noch höheren Wert aufweist.
Wenn wir uns nun die monatlichen Durchschnittswerte von Bitcoin in Sachen Preisentwicklung betrachten, sehen wir eine gewisse Ähnlichkeit zum S&P 500. Bitcoins einzige beiden Monate mit einer negativen durchschnittlichen Preisentwicklung sind ebenfalls der August mit -0,54 Prozent und der September mit -4,16 Prozent. Die beiden negativen Monate werden auch bei Bitcoin von zwei äusserst starken Monaten gefolgt: Im Oktober weist Bitcoin eine durchschnittliche Preisentwicklung von 29,88 Prozent auf und im November sogar 37,51 Prozent – was ihn zum besten Monat für Bitcoin krönt. Die Frühlingsmonate, unter anderem der April, mit einer monatlichen Durchschnittspreisentwicklung von +36,29 Prozent, weisen ebenfalls hohe Werte auf, wie in der folgenden Grafik ersichtlich ist.
Sell in May and go away?
Lustigerweise zeigt die obige Grafik, dass der legendäre und seit dem 19. Jahrhundert weitbekannte Ausdruck «Sell in May and go away» seit 2010 nicht wirklich optimal war, weder für Investoren des S&P 500 noch für Bitcoin-Investoren. Es müsste wohl eher heissen: «Say Goodbye in July», um dann im September wieder zurückzukommen – ganz nach dem Motto «Remember to come back in September», wie es in der Branche auch heisst.
Das Jahr 2024 – alles andere als normal
Die vorherig angesprochenen Saisonalitäten können einen ungefähren Überblick verschaffen, in welchen Zeiträumen Investoren und Marktteilnehmer wohl eher mit explosiveren Preisbewegungen rechnen und wann sie eher abwartend einen gewissen Abstand zu den Märkten nehmen. Über die Sommermonate, insbesondere im August und September, sind viele Marktteilnehmer in den Ferien. Die Handelsvolumina nehmen ab, und die Liquidität auf den Märkten ist entsprechend eher gering.
In diesem Jahr war allerdings viel los im August. Man erinnere sich an Anfang August, als der S&P 500 um fast 10 Prozent nach unten korrigierte und Bitcoin innerhalb weniger Tage fast 30 Prozent einbüsste. Der S&P 500 schloss den Monat August mit 2.28% im Plus, während Bitcoin fast 9% an Wert verlor. Im September hat der S&P 500 mehr als 1.5% und Bitcoin 7.5% zugelegt. Die beiden historisch schwächsten Monate sind für den S&P 500 entgegen der Saisonalität sehr positiv ausgefallen, während Bitcoin aktuell weiterhin unter dem Preis vom 1. August (64'600 US-Dollar) handelt.
Das Jahr 2024 ist auch aus anderen Gründen alles andere als normal. Im November finden in den USA die Präsidentschaftswahlen statt, und der amtierende Präsident Joe Biden ist im Sommer aus dem Präsidentschaftsrennen ausgeschieden und wurde von seiner Vizepräsidentin Kamala Harris ersetzt. Sie kandidiert nun gegen Donald Trump um die Präsidentschaft. Hinzu kommt, dass die US-amerikanische Notenbank (Federal Reserve) im September erstmals seit 2020 den Leitzins gesenkt hat, und zwar um stolze 0,5 Prozentpunkte. Doch das ist nicht alles: Auch für Bitcoin ist 2024 ein spezielles Jahr, am 19. April fand bekanntlich das vierte Halving statt. Wir werden nun einen Blick auf diese Ereignisse werfen und schauen, wie sie sich auf die Preisentwicklung von Risikoanlagen wie Bitcoin oder den S&P 500 auswirken könnten.
Das Bitcoin-Halving
Am 19. April 2024 fand das vierte Bitcoin-Halving statt. Wir hatten zuvor verschiedene Artikel dazu veröffentlicht; Sie können diese hier nachlesen. Im folgenden Abschnitt möchten wir nun die Preisentwicklung von Bitcoin nach den bisherigen Halvings mit der aktuellen Preisentwicklung im Jahr 2024 nach dem vierten Bitcoin-Halving vergleichen. Denn wie bereits erwähnt, spielen bei der Preisentwicklung die Saisonalitäten lediglich eine Nebenrolle. Spezielle Ereignisse und Neuigkeiten rund um wirtschaftliche Daten und Entscheidungen haben ebenso einen Effekt. In der folgenden Darstellung ist die Preisentwicklung von Bitcoin nach den Halvings in den Jahren 2016, 2020 und 2024 zu sehen.
Auch in den Jahren 2016 und 2020 wurde Bitcoin nach dem Halving jeweils für eine gewisse Zeitspanne seitwärts gehandelt oder sogar tiefer als zum Zeitpunkt des Halvings. Rund 160 Tage nach dem Halving handelten wir in sämtlichen Fällen über dem Preis zum Zeitpunkt des Halvings, wobei dieser Preisunterschied in diesem Jahr geringer ausfällt als bei den beiden vorherigen Halvings. Im Jahr 2016 und 2020 begann die starke Preisentwicklung allerdings erst später, insbesondere in dem Jahr nach dem Halving, also im Jahr 2017 beziehungsweise 2021. Man erinnere sich, dass Bitcoin im Jahr nach dem zweiten Halving von 770 US-Dollar circa 160 Tage nach dem Halving auf über 19’000 US-Dollar im Dezember 2017 katapultierte und nach dem dritten Halving von 11’000 US-Dollar 160 Tage nach dem Halving auf 69’000 US-Dollar im November 2021 anstieg.
Doch handelt es sich hier lediglich um historische Vergleichswerte, und vergangene Entwicklungen sind keine Garantie für zukünftige Geschehnisse. Hinzu kommt, dass das Halving in diesem Jahr nicht das einzige spezielle Ereignis ist. In den USA wählt die Bevölkerung einen neuen Präsidenten oder eine neue Präsidentin. Viele haben über die Preisentwicklung von Risikoanlagen während solcher Wahljahre geschrieben, doch wie sieht es mit dem Jahr nach den Wahlen aus?
Das Jahr nach den US-Präsidentschaftswahlen
Wir haben die Preisentwicklung von Bitcoin und dem S&P 500 während der Monate nach den US-Präsidentschaftswahlen untersucht und mit der Preisentwicklung in den Monaten nach November in Jahren ohne US-Wahlen verglichen. Es ist spannend zu sehen, dass sich der S&P 500 seit 2012 in Jahren nach einer US-Wahl durchschnittlich wesentlich besser entwickelt hat als in Jahren, in denen im November keine Wahl stattfand. Drei Monate nach einer US-Wahl lag der S&P 500 seit 2012 durchschnittlich rund 6,6 Prozent im Plus, sechs Monate nach einer Wahl 13,8 Prozent und ein Jahr nach einer Wahl 24,8 Prozent. In Jahren ohne US-Wahl lag der S&P 500 nach drei Monaten durchschnittlich 0,03 Prozent im Minus, nach sechs Monaten 1,8 Prozent im Plus und nach einem Jahr 6,9 Prozent im Plus, wie in der folgenden Grafik abgebildet.
Die Preisentwicklung von Bitcoin nach US-Präsidentschaftswahlen im Vergleich zur Entwicklung in Jahren ohne Wahlen im November offenbart eine ähnliche Situation. Die Monate und das Jahr nach einer US-Präsidentschaftswahl waren für Bitcoin seit 2012 ausserordentlich positiv. Auch hier sieht man einen Unterschied zur Preisentwicklung in Jahren ohne US-Wahl, wie in der folgenden Grafik ersichtlich ist.
Leitzinssenkung der US-amerikanischen Notenbank
Nun möchten wir noch die letzte, aber nicht weniger bedeutende Spezialität des Jahres 2024 hervorheben: Die US-amerikanische Notenbank hat im September erstmals seit dem Jahr 2020 wieder eine Senkung der Leitzinsen vorgenommen und somit wahrscheinlich einen neuen Leitzinssenkungszyklus gestartet. Im letzten Abschnitt dieses Artikels werden wir uns daher damit beschäftigen, wie diese Senkung der Leitzinsen in den USA die Märkte beeinflussen könnte.
Da die Federal Reserve zum ersten Mal seit 2020 einen neuen Leitzinssenkungszyklus eingeleitet hat, um die Kreditkosten von ihrem höchsten Stand seit mehr als zwei Jahrzehnten zu senken, werfen wir einen Blick auf frühere Anfänge solcher Leitzinssenkungszyklen.
In der Vergangenheit hat der S&P 500 in den ersten sechs Monaten nach der ersten Zinssenkung durchschnittlich 4 Prozent nach unten korrigiert, wenn sich die Wirtschaft zum Zeitpunkt der Zinssenkung in einer Rezession befand. Im Vergleich dazu legte der S&P 500 in den ersten sechs Monaten um 14 Prozent zu, wenn die Fed die Zinsen in einem Zeitraum ohne Rezession senkte.
Rezessionen werden vom National Bureau of Economic Research in der Regel im Nachhinein als solche bezeichnet. Im Moment gibt es wenig Anzeichen dafür, dass die USA derzeit in einer Rezession stecken, auch wenn es einige Signale gibt, die darauf hindeuten, dass eine solche in absehbarer Zukunft bevorstehen könnte.
Unterscheidet man zwischen unterschiedlichen Arten von Leitzinssenkungen, beispielsweise zwischen Normalisierungs-, Panik- und Rezessions-Leitzinssenkungen, dann kann man sich einen noch detaillierteren Überblick verschaffen.
In zwei von drei Fällen haben Leitzinssenkungen während der ersten Monate bis hin zu einem Jahr nach der ersten Leitzinssenkung einen positiven Einfluss auf die Preisentwicklung des S&P 500, und zwar in den Fällen von Normalisierungs- oder Panik-Leitzinssenkungen.
Wie bereits erwähnt, sind Leitzinssenkungen während einer Rezession ein eher negatives Zeichen für den Markt, da die Monate nach der ursprünglichen Leitzinssenkung historisch von negativen Preisentwicklungen geprägt waren. Da die Situation aktuell so aussieht, als hätte sich die US-amerikanische Notenbank nach 1989, 1995 und 2019 in diesem Jahr erneut für eine Normalisierungs-Leitzinssenkung entschieden, sprechen die historischen Daten für eine eher positive Preisentwicklung in den kommenden Monaten.
Was nun?
Wir haben in diesem Artikel einige Indikatoren betrachtet, um die aktuelle Situation von Bitcoin historisch einzuordnen. Das Jahr 2024 ist ein besonderes: Im Frühling fand das vierte Bitcoin-Halving statt, im November stehen die US-amerikanischen Wahlen an, und erst im September hat die US-Notenbank zum ersten Mal seit 2020 den Leitzins gesenkt. Zudem beginnt nun aus der Perspektive der Saisonalität von Bitcoin ab Oktober eine historisch positive Phase.
Was könnte dies nun für die Preisentwicklung von Bitcoin bedeuten? Da es sich lediglich um historische Daten handelt und diese keineswegs garantieren, dass es zukünftig erneut so passieren muss, sollte man diese Daten mit Vorsicht geniessen. Und dennoch ist es spannend zu sehen, dass aus sämtlichen Blickwinkeln – sei es die Saisonalität, die Preisentwicklung nach den Bitcoin-Halvings, den US-Präsidentschaftswahlen oder Leitzinssenkungen – historisch betrachtet eine positive Phase für Bitcoin bevorzustehen scheint. Bekanntlich wiederholt sich die Geschichte allerdings nicht, doch vielleicht reimt sie sich?