Das Staking-Spiel: Staking-Analyse anhand der Spieltheorie
21.05.2020 - 8 Minuten Lesedauer
Kryptowährungen eröffnen Anlegern, die ihr Portfolio diversifizieren wollen, neue Möglichkeiten. Im Jahr 2019 war Staking eines der dynamischsten Segmente des Kryptomarktes, da immer mehr Blockchains mit Stakingmöglichkeiten aufkamen und die Zahl der Unternehmen, die Staking-Dienstleistungen anbieten, steil in die Höhe schoss.
Laut Staking Rewards, einem Sektordatenaggregator, belief sich die Marktkapitalisierung im März 2020 auf 10 Mrd. USD, wobei mehr als 6 Mrd. USD durch Staking gebunden waren. Dieser Trend dürfte sich trotz der durch die Kryptopreise getriebenen Volatilität 2020 fortsetzen.
Durch das Staking von Kryptowährungen können Kryptoanleger mit geringem Aufwand und manchmal sogar, ohne dass sie Assets in die Custody von Dritten einlegen müssen, stabile Erträge erzielen. Selbst bei den bestehenden regulatorischen Unsicherheiten und der hohen Volatilität des Kryptomarktes bietet das Staking Anlegern eine attraktive Möglichkeit, zusätzliche Prämien für ihren Einsatz zu verdienen. Gleichzeitig verstehen nicht alle Anleger, wie diese Erträge genau zustande kommen. Setzen Anleger ihr Geld in eine “Staking-Black-Box”, kann es aber auch sein, dass sie Risiken eingehen oder Chancen verpassen.
Dieser Artikel zeigt, wie man die Mechanismen hinter dem Staking mit einigen Konzepten der Spieltheorie besser verstehen und die eigene Grundlage für Investitionsentscheidungen verbessern kann.
So funktioniert das Staking von Kryptowährungen
Das Staking von Kryptowährungen ist nur in Proof-of-Stake-Blockchains (PoS) möglich. Proof of Stake bezieht sich auf Blockchains, bei denen der Konsens (d. h. die Entscheidung, welche Blöcke der Blockchain hinzugefügt werden sollen) durch Validatoren erzielt wird, die Token auf diese Blockchain setzen (“staken”). Im Gegenzug erhalten diese Validatoren eine Prämie, in der Regel in Form weiterer Token. Beispiele für PoS-Blockchains sind bereits bestehende Blockchains wie Tezos und Cosmos sowie die mit Spannung erwartete Blockchain Polkadot.
Die Blockchains erwarten von den Validatoren, dass sie jederzeit sichere und verfügbare Dienste bereitstellen. Dafür benötigen sie zuverlässige und leistungsstarke Server, die rund um die Uhr laufen. Blockchains setzen in der Regel Anreize für Validatoren, “schlechtes” oder betrügerisches Verhalten zu vermeiden, da sonst ihr Einsatz verloren geht (“Slashing”).
Nicht jeder Tokeninhaber ist bereit, Geld und Zeit in die Validierung zu investieren. In diesem Fall können Tokeninhaber Nominatoren werden, indem sie ihre Validierungsfunktionen an Akteure übertragen, die dafür angemessen ausgestattet sind. Die Übertragung erfolgt in der Regel durch eine Abstimmung “mit Geld”, d. h. indem der Stake des Nominators an einen Validator seines Vertrauens übertragen wird.
In einer PoS-Blockchain kann ein Kryptoanleger entweder Validator oder Nominator werden. Um Validator zu werden, benötigt man eine bestimmte Kapitalinvestition und muss sich einer bestimmten Blockchain verpflichten (jede Blockchain hat spezifische technische und finanzielle Anforderungen), wohingegen man als Nominator nur in Kryptowährung investieren und den Einsatz an einen oder mehrere ausgewählte Validatoren delegieren muss.
Die Nominierung ermöglicht mehr Flexibilität bei der Vermögensallokation. Ein investierender Nominator entscheidet über ein Portfolio von Kryptowährungen und danach über die Validatoren, an die er seinen Einsatz delegiert. Diese Entscheidungen werden in der Regel auf der Grundlage der Performance der Blockchain und der Performance der Validatoren getroffen. Die Performance der Validatoren lässt sich mit spieltheoretischen Instrumenten prognostizieren.
Grundlagen der Spieltheorie
Die Spieltheorie bietet eine Reihe mathematischer Instrumente zur Analyse sozialer und wirtschaftlicher Situationen, in denen rationale Akteure miteinander interagieren. Historisch reichen die Anwendungsgebiete der Spieltheorie von militärischen Strategien (z. B. zur Erklärung des Kalten Krieges) bis hin zu Finanzmärkten. Die Spieltheorie arbeitet mit Unsicherheiten und Wahrscheinlichkeiten, Belohnungen und Risiken und kann daher auf unterschiedlichste reale Situationen angewendet werden.
Demnach besteht ein Spiel aus verschiedenen Spielern, die ihre eigenen Strategien verfolgen und dazu ihre Entscheidungen treffen. Die Strategien aller Spieler des Spiels ergeben zusammen einen Endzustand, und jeder Spieler erzielt nach den Regeln ein bestimmtes Ergebnis. In der Regel weiss jeder Spieler, was er bei verschiedenen Endzuständen für Ergebnisse zu erwarten hat.
Je nach Kommunikations- und Absprachemöglichkeit zwischen den Spielern werden nichtkooperative Spiele und kooperative Spiele unterschieden. Stellen Sie sich drei Generäle vor einer grossen Schlacht vor. Kennt jeder General seine eigenen Möglichkeiten und die Möglichkeiten der anderen, kann seine Entscheidung aber nicht kommunizieren, so handelt es sich um ein nichtkooperatives Spiel. Können die Generäle des alliierten Heers einander Boten schicken und sich auf eine gemeinsame Strategie einigen, dann handelt es sich um ein kooperatives Spiel.
Ausser kooperativ und nichtkooperativ können Spiele auch simultan oder sequenziell (je nachdem, ob die Spieler ihren Spielzug gleichzeitig oder in einer bestimmten Reihenfolge machen) sowie statisch oder dynamisch sein (in einem statischen Spiel interagieren die Spieler einmal, in einem dynamischen immer wieder erneut). Es ist wichtig zu definieren, um was für eine Art des Spiels es sich handelt, wenn man versucht, eine Lösung dafür zu finden.
In der Spieltheorie bedeutet die Lösung eines Spiels, ein Gleichgewicht dafür zu finden (oder zu zeigen, dass das Spiel kein Gleichgewicht hat). Grob gesagt ist ein Gleichgewicht das wahrscheinlichste Ergebnis des betreffenden Spiels.
Bei nichtkooperativen Spielen wird eine gewünschte Lösung als Nash-Gleichgewicht bezeichnet. Bei einem Nash-Gleichgewicht hat keiner der Spieler Anreize, von seiner derzeitiger Strategie abzuweichen, um sein Ergebnis zu verbessern. Ein Nash-Gleichgewicht bedeutet aber nicht, dass jeder Spieler den grösstmöglichen Nutzen erzielt, sondern nur, dass das Ergebnis angesichts der Strategien der anderen Spieler die beste Situation ist. Ausserdem führen nicht alle Spiele zu einem Nash-Gleichgewicht, und in einigen Fällen gibt es sogar mehrere Gleichgewichte.
Anwendung der Spieltheorie auf das Staking: das Beispiel Polkadot
Die Validatoren und Nominatoren von PoS-Blockchains können als rationale Entscheidungsträger gelten, die angesichts der Regeln und Strategien der anderen Akteure versuchen, ihr Ergebnis zu maximieren. Dies ist ein klassische Setting der Spieltheorie. Die Strategien der Validatoren beinhalten Entscheidungen darüber, wie viel gestakt werden soll, ob ein einzelner Knoten oder mehrere Knoten betrieben werden sollen sowie wie weitere Parameter gewählt werden sollen, die das Blockchain-Design verlangt. Die Nominatoren entscheiden, wie viel und welche Kryptowährung gestakt und welche Validatoren delegiert werden sollen. Die Auszahlung an Validatoren und Nominatoren hängt von deren Strategien und den Regeln ab, nach denen die Validatoren ausgewählt wurden und die Prämien sodann verteilt werden.
Nehmen wir zum Beispiel das Design der Polkadot-Blockchain.
Polkadot ist ein Projekt, das einen Rahmen (oder ein Meta-Protokoll) für alle anderen Blockchains und Kryptonetzwerke schaffen möchte, damit sie miteinander interagieren können, ohne dass sie einander vertrauen müssen. Hinter Polkadot steht einer der Mitgründer von Ethereum, Dr. Gavin Wood. Die Informationen zum Staking-Design stammen von Polkadot Wiki, sodass das endgültige Design der tatsächlichen Blockchains abweichen kann.
In der Polkadot-Blockchain bestimmen die Validatoren ihre Strategie durch die Grösse ihres Validator-Knotens, oder anders gesagt durch ihren Einsatz auf der Blockchain. Sie können ihren Anteil auch auf zwei oder mehr Knoten verteilen, vorausgesetzt, sie setzen auf jedem Knoten mindestens den Mindesteinsatz. Das Spiel der Validatoren ist ein nichtkooperatives und dynamisches Spiel.
Vor Beginn jeder Periode werden aus allen verfügbaren Kandidaten eine Anzahl T Validatoren ausgewählt. Nach jeder Periode werden die Ergebnisse gleichmässig auf alle T Validatoren mit ihren Einsätzen von s1 bis sT verteilt, wobei sT der niedrigste Einsatz ist. Der Validator mit dem Einsatz sT erhält die höchste Rendite pro DOT (Polkadot-Token).
Basierend auf dem Ergebnis der ersten Runde dürften rationale Validatoren mit höheren Einsätzen als sT ihre Einsätze in der nächsten Periode reduzieren, indem sie beispielsweise die Einsätze auf die Knoten aufteilen oder einige ihrer Assets auf eine andere Chain verlagern. Liegt sT über dem Mindesteinsatz sMIN, der von Validatoren verlangt wird, werden selbst die kleinsten Validatoren aus der ersten Runde wahrscheinlich ihre Knoten herunterskalieren, um eine höhere Belohnung pro DOT zu erhalten. Dies wird wiederholt, bis sT sich sMIN nähert, da dann die Rendite pro DOT am höchsten ist. Wenn jeder Validator sMIN setzt, ist ein Nash-Gleichgewicht erreicht, was bedeutet, dass kein Validator sein Ergebnis durch einen höheren oder niedrigeren Stake verbessern kann.
Diese Analyse zeigt, dass das Netzwerk wahrscheinlich zu einem dezentralen Zustand konvergiert, in dem der Einsatz jedes Validators gleich gross ist. Die Dezentralisierung ist dadurch gewährleistet, dass die Prämien gleichmässig und nicht etwa proportional zu ihrem Einsatz an die Validatoren verteilt werden. Verstärkt wird der Anreiz durch die Aktionen der Nominatoren, die wahrscheinlich kleinere Validatoren dabei unterstützen werden, höhere Renditen zu erzielen.
Dies ist eine stark vereinfachte Abbildung. Führt man noch mehr Parameter in das Spiel ein wie etwa die mögliche Irrationalität der Validatoren und Nominatoren, die Komplexitäten des Blockchain-Designs, die Kosten für den Betrieb eines oder mehrerer Validator-Knoten, technische Hindernisse, Reputationsfaktoren usw., dann ist die Lösung deutlich schwieriger, man erhält aber auch einen tieferen Einblick in die möglichen Ergebnisse.
Zusammenfassung
Wie hilft die Spieltheorie Anlegern also, bessere Entscheidungen zu treffen?
Die Dezentralisierung bei Blockchain beruht allgemein auf der Spieltheorie. Die Spieltheorie arbeitet mit der Annahme, dass die Akteure rationale Entscheidungen treffen und versuchen, innerhalb eines bestimmten Regelwerks ihren Nutzen zu maximieren. Blockchain ist in der Tat ein Spiel einer Gruppe von rationalen Akteuren, die ihre Belohnung zu maximieren suchen, wobei die Regeln durch das Blockchain-Protokoll festgelegt werden. Durch den Entwurf eines Protokolls mit spezifischen finanziellen Anreizen ist es Satoshi Nakamoto gelungen, Bitcoin zu erschaffen und damit die Kryptowährungswelt zu revolutionieren.
Dank den im Protokoll festgelegten finanziellen Anreizen können Blockchains über viele Jahre hinweg reibungslos und effizient funktionieren, ohne dass eine zentrale Behörde erforderlich ist. Die Analyse von Blockchain aus Sicht der Spieltheorie kann Anlegern helfen, die Prinzipien von Blockchain zu verstehen, hinter die Zahlen zu blicken und die Ideen und Strukturen dahinter zu erkennen.
Auf praktischerer Ebene können Anleger mit der Spieltheorie taktische Entscheidungen bei der Assetallokation treffen. Durch die Modellierung von Staking als Spiel können anlegende Validatoren die optimale Strategie finden, um die grösstmögliche Rendite zu erzielen. In der Blockchain Polkadot besteht die optimale Strategie für einen Validator darin, einen oder mehrere Validator-Knoten mit möglichst wenig Einsatz zu betreiben. Anlegende Nominatoren können dann Validatoren auswählen und ihnen je nach Strategie und Gleichgewicht, das sie im Spiel der Validatoren erwarten, ihre Assets übertragen.
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