Staking auf Chains
01.10.2019
Ethereum, die zweitgrösste Kryptowährung in punkto Marktkapitalisierung, wird bald eine Version 2.0 starten. Mit der neuen Version wird der Konsensalgorithmus auch schrittweise von aktuell Proof of Work (Arbeitsnachweis, PoW) auf Proof of Stake (Anspruchsnachweis, PoS) migriert. Bei Proof-of-Stake-Chains wird das Netzwerk durch Einsätze (Staking) auf die Gültigkeit der Chain gesichert, indem eine bestimmte Menge an Kryptowährung gesperrt wird – im Gegensatz zum Proof-of-Work, bei dem zur Validierung von Blöcken ein Rechenpuzzle gelöst werden muss. Eine Variante ist der delegierte Proof of Stake (dPoS, z.B. bei EOS), wo Coinhalter für ihre bevorzugten Blockvalidatoren stimmen können. Je nach Blockchain variiert die Terminologie für die Staker: Sie werden unter anderem Validatoren (bei Cosmos und Ethereum 2.0), Bäcker (bei Tezos) oder Blockhersteller (bei EOS) genannt. Die Prämien für das Staking werden in der jeweiligen Blockchain-Währung nach Abzug von Transaktionsgebühren gezahlt, wie bei den Proof-of-Work-Chains. Letztendlich handelt es sich bei diesen Prämien um den Preis, den das Protokoll für die Sicherheit des Netzwerks zu zahlen bereit ist, wie wir in Episode 3 von Bitcoin Suisse Decrypt gesehen haben. Eine der zentralen Herausforderungen für Proof-of-Stake-Chains ist das “Nothing-at-stake”-Problem. Frühe Implementationen von Proof of Stake wie Peercoin haben diesem Problem nicht ausreichend Rechnung getragen. Beim Proof of Work haben die Miner einen finanziellen Anreiz, auf derjenigen Chain zu schürfen, von der sie glauben, dass sie auch in Zukunft gültig bleiben wird. Das Schürfen auf einem Block, der später abstirbt (d. h. nicht mehr Teil der längsten Chain ist), führt zu einem Rückgang der insgesamt erwarteten Schürfeinnahmen, da die Hashrate des Miners auf die verschiedenen Forks aufgeteilt wurde. Dagegen könnten beim Proof of Stake Validatoren theoretisch kostenlos auf mehrere Forks setzen, da ihr Einsatz in jeder Fork vorhanden ist. Dadurch können sie sicherstellen, dass sie den überlebende Zweig validiert haben, und so müssen sie nicht auf einen einzelnen Zweig setzen.
Bei Tezos, Cosmos und Ethereum 2.0 (sobald die Chain startet) wird das “Nothing-at-stake”-Problem mit einer Strafe für betrügerisches oder fehlerhaftes Verhalten (Slashing) belegt. Bäcker oder Validatoren verlieren in solchen Fällen einen Teil ihres Einsatzes – eine Übersicht der Fälle, in denen dies bei Tezos geschehen ist, kann öffentlich eingesehen werden. Daher müssen die Akteure gewährleisten, dass ihre Knoten sicher, korrekt aufgebaut und ordnungsgemäss gewartet sind.
Als Protokoll gibt es Proof of Stake allgemein noch nicht so lange wie Proof of Work. Die technische und wirtschaftliche Umsetzbarkeit muss in den nächsten Jahren noch nachgewiesen werden. Proof of Stake hat jedoch auch gegenüber Proof of Work einige Vorteile. Ein Vorteil wäre der deutlich geringere Stromverbrauch. Bitcoin ist in letzter Zeit wegen seiner möglichen Umweltauswirkungen in die Schlagzeilen gekommen, da der jährliche Stromverbrauch mittlerweile denjenigen der Schweiz überholt hat. Beim Proof of Stake muss keine grosse Rechenleistung zur Sicherung der Blockchain mehr aufgewendet werden. Darüber hinaus könnte Proof of Stake zu einer stärkeren Dezentralisierung der Blockchain führen. Wie in Episode 3 erwähnt, haben günstige Stromquellen eine zentralisierende Wirkung auf das Kryptomining. Grosse Mining-Unternehmen mit Proof-of-Stake-Coins können auch von Skaleneffekten profitieren. Diese sind beim Proof of Stake deutlich weniger ausgeprägt, da die Anfangsinvestition für das Staking grösstenteils durch den Kauf von Kryptowährung anstatt durch den Kauf von Mining-Ausrüstung erfolgt.
Nichts ist umsonst
Für den herkömmlichen Anleger sind die Staking-Erträge so etwas wie die Zinserträge auf einem Bankkonto. Es gibt jedoch einen entscheidenden Unterschied: Anleger, die Coins staken, werden in Wirklichkeit dafür bezahlt, dass sie dem Netzwerk einen Dienst erweisen. Es gibt mehrere Kryptowährungen, welche Anlegern, die sich an der Sicherung des Netzwerks beteiligen möchten, Staking-Prämien bieten. Zu den Kryptowährungen mit den meisten gestakten Assets zählen EOS, Tezos, Cosmos, Algorand und Dash. Derzeit weist Cosmos mit 10,13% eine der höchsten jährlichen Staking-Renditen auf.
Staking bietet attraktive Jahreserträge, ist aber auch mit Risiken verbunden. Die Risiken lassen sich in Betriebsrisiken, Währungsrisiken und Kontrahentenrisiken unterteilen. Vom Betrieb her können Validatoren oder Bäcker bestraft werden, wenn sie sich (absichtlich oder nicht) nichtkonform verhalten. Die Höhe der Strafe hängt vom Protokoll und von der Schwere des Vergehens ab. Wird der Knoten beispielsweise vom Netz getrennt und beteiligt sich nicht am Konsens, dann verliert der Validator einen bestimmten Prozentsatz seiner gestakten Coins (Strafe wegen Liveness Fault). Stimmt der Knoten mehrfach mit einander widersprechenden Stimmzetteln ab, gibt es ebenfalls eine Strafe (Strafe wegen Governance Fault). Die zweite Risikoart, das Währungsrisiko, betrifft die Volatilität des Coinpreises in USD. Da die Coins gestakt werden, engagiert sich der Anleger auf längere Sicht. Dieses Risiko besteht bei allen Kryptowährungen, unabhängig davon, ob das Protokoll auf Proof of Stake oder Proof of Work beruht. Die letzte Risikoart, das Kontrahentenrisiko, entsteht, wenn der Anleger seine Coins stakt. Die gängigste Art, Coins zu staken, besteht darin, die Coins an einen Stakingpool zu senden, der von verschiedenen Anlegern in einem Hot Wallet an einer Exchange gehalten wird. Entscheidet sich ein Anleger, ein Drittunternehmen mit dem Staking seiner Kryptoassets zu beauftragen, geht der Anleger auch ein Kontrahentenrisiko ein. Die Übertragung der Kontrolle an einen Validator verläuft ähnlich, wie wenn man einer Bank sein Vermögen anvertraut. Unternehmen, die eine Verwahrung der gestakten Coins anbieten, sind jedoch oft nicht versichert, und manchmal handelt es sich bei ihnen nicht einmal um eingetragene Unternehmen. Tatsächlich gibt es bereits Berichte von Validatoren, die Anlegern keine Prämien ausgezahlt haben, und Anleger haben nur wenige Möglichkeiten, den entgangenen Verlust zurückzufordern. Daher ist die Auswahl eines kompetenten Validators von entscheidender Bedeutung. Um das Kontrahentenrisiko zu senken, ermöglichen es einige Kryptowährungen den Anlegern, Coins aus Cold Storage Wallets, also Hardware-Wallets, zu staken. Für die Annahme von Staking-Prämien ist jedoch eine Transaktion erforderlich, und Hacker können aus dieser Transaktion Informationen gewinnen. Erweiterte Validator-Dienste arbeiten mit virtuellen privaten Netzwerken zusammen, um die Transaktionen im Verborgenen ablaufen zu lassen.
Fazit: Proof of Stake ist eine Alternative zum Proof of Work und damit zum längsten Konsensmechanismus, der von Bitcoin verwendet wird. Staking-Renditen sind eine Art Seigniorage, die den Stakern über die Inflation im Coin-Angebot zufällt. Staking ist jedoch nicht ohne Risiko. Anleger sollten Drittunternehmen, die Staking-Dienstleistungen anbieten, sorgfältig prüfen und wegen möglicher steuerlicher Auswirkungen der Auszahlung von Staking-Prämien einen Steuerberater konsultieren.