Bitcoin SV: Zurück zur Genesis
13.05.2020
Bitcoin Satoshi Vision, nach Marktkapitalisierung die fünftgrösste Kryptowährung (ohne Tether), wurde am 15. November 2018 unter der Blocknummer 556766 als Fork von Bitcoin Cash (wiederum eine Fork von BTC) ins Leben gerufen. Bitcoin SV entstand aufgrund von Meinungsverschiedenheiten in der Bitcoin-Cash-Community, zum Beispiel in Bezug auf den künftigen Umgang mit Skalierbarkeit, vor allem in Bezug auf die Frage, wie hoch die Blockgrössengrenze sein sollte. Während Bitcoin Cash bei einem Limit von 32 MB blieb, entschieden sich Bitcoin-SV-Supporter dafür, das Limit auf 128 MB und mehr zu erhöhen.
Das BSV-Mindset Eines der Hauptziele von BSV ist es, ganz gemäss dem Namen der Kryptowährung so nah wie möglich an der Protokollspezifikation des ursprünglichen Bitcoin-Whitepapers zu bleiben. Das Protokoll soll nichts Besonderes bewirken, sondern stattdessen ein stabiles, konsistentes Basisprotokoll bereitstellen, auf dem aufgebaut werden kann – ähnlich wie IPv4, das 1983 gestartet wurde und noch immer den Grossteil des heutigen Internetverkehrs routet. Ein solches Grundprotokoll wurde mit der Genesis-Hardfork, die im Februar dieses Jahres stattfand, wiederhergestellt. Die Genesis-Hardfork stellt unter anderem die Funktionalität von OP_RETURN in der Bitcoin-Skriptsprache wieder her, wodurch Skripte frühzeitig beendet werden können. Darüber hinaus ist Pay-to-Script-Hash (P2SH), das für Multi-Signature-Wallets häufig in BTC verwendet wird, nicht mehr als Option für neue Outputs erhältlich. Die letzte Hardfork von BSV soll Chronicle heissen und markiert die Rückkehr zum ursprünglichen Algorithmus für die Schwierigkeitsanpassung von Bitcoin (alle 2’016 Blöcke) anstelle des von BCH übernommenen Algorithmus, der die Schwierigkeit für jeden Block basierend auf einem gleitenden Durchschnitt der Blockzeiten der letzten 144 Blöcke anpasst.
Für BSV-Unterstützer ist die Rechenschaftspflicht eine zentrale Funktion und eines der Argumente gegen den Einsatz von Second-Layer-Lösungen wie beim Lightning Network. Durch die Speicherung der vollständigen Aufzeichnung aller Transaktionen direkt on-chain zielt die Blockchain darauf ab, die Einhaltung der Vorschriften zu ermöglichen. Dadurch, dass alles on-chain gespeichert wird, braucht man genügend Blockspace, weshalb Skalierbarkeit durch grosse Blöcke für BSV so wichtig ist. Der bisher grösste Block auf BSV hatte einen Umfang von 256 MB und wurde im Juli 2019 im Rahmen eines Mainnnet-Stresstests in die Chain aufgenommen. Langfristig geht es darum, terabytegrosse Blöcke zu produzieren und mögliche Propagationsprobleme zu überwinden. So soll erreicht werden, dass ein derart grosser Blockspace den Nutzern keine Grenzen auferlegen und das Peer-to-Peer-Modell stärken würde, das im Bitcoin-Whitepaper beschrieben ist. Anstatt die Chain-Nutzung zu regulieren, würde so der freie Markt entscheiden.
Dieser Skalierbarkeitsansatz verfolgt auch das längerfristige Ziel, für die Minereinnahmen anstatt auf Blockprämien auf Transaktionsgebühren zu setzen. Während bei BTC einzelne Transaktionen für den User wertvoller werden sollen, z. B. durch die Eröffnung eines Kanals im Lightning Network, der dann vielfach genutzt werden könnte, konzentriert sich BSV stattdessen auf die Ausweitung des gesamten Transaktionsvolumens, um die Einnahmen aus Gebühren zu steigern.
Abbildung 1: Der prozentuale Anteil der Minereinnahmen aus Gebühren ist sowohl bei BTC als auch bei BSV derzeit gering. Die Daten wurden mit einem gleitenden 7-Tage-Durchschnitt geglättet.
Insgesamt machen die Gebühren bisher nur einen geringen Prozentsatz der gesamten Minereinnahmen aus. Bei BSV soll dies durch ein neues Mining-Modell geändert werden.
Transaktionsabwickler Um den Blockzuschuss zu kompensieren, müssten die Miner nach dem diesjährigen Prämien-Halving täglich 6,25 BTC oder BSV ausgleichen. Mit dem Terabyte-Block-Plan von BSV könnte dies gelingen, wenn täglich rund 1 Milliarde Transaktionen mit geringen Transaktionsgebühren von <1 Satoshi/Byte abgewickelt werden.
Das neue Modell der Betrachtung von Minern als Transaktionsabwickler bedeutet, dass Miner auf der Grundlage von volumenbasierten Verträgen mit Parteien arbeiten, die jeden Tag zahlreiche Transaktionen durchzuführen wollen. Der Miner verspricht für Transaktionen bestimmte Abrechnungszeiten, zum Beispiel die Aufnahme in einen Block innerhalb von einer Stunde, vier Stunden oder bis EOD. Dies ist eine Verbesserung gegenüber den gängigen Abrechnungsprozessen im Finanzwesen, die in der Regel zwei Tage erfordern (“t+2-Settlement”). Ein solches Angebot würde Unternehmen auch die Möglichkeit bieten, Transaktionsabwickler in traditionellen Fiatwährungen zu bezahlen, wodurch das Risiko der Preisvolatilität entfällt.
Das aktuelle System, bei dem jeder User einen Netzwerkknoten darstellt, ist nicht die vorgesehene Konfiguration für grössere Massstäbe. Dies wäre, als würde jeder Usenet-Nutzer seinen eigenen NNTP-Server betreiben. Das Design ist so ausgelegt, dass User nur User sein können. Je höher die Last für den Betrieb eines Knotens, desto weniger Knoten gibt es. Diese wenigen Knoten werden grosse Serverfarmen sein. Der Rest sind Client Nodes, die nur Transaktionen ausführen und nichts generieren.
– Satoshi Nakamoto
Miner oder Transaktionsabwickler müssten im neuen Modell grosse Rechenzentren betreiben, um die grossen Blöcke und die umfangreichen Transaktionsmengen zu bewältigen. Auf diesem Weg soll erreicht werden, dass diese Rechenzentren auch vermietet werden und als neue Form des Cloud Computing dienen – der monetäre Anreiz für die Durchführung der Berechnungen könnte direkt on-chain abgerechnet werden.
Die Miner würden zudem eine wichtige Rolle bei der Bereitstellung der Infrastruktur zur Unterstützung neuer Anwendungen spielen, die von der BSV-Blockchain vorangetrieben werden.
Entwicklungen bei Bitcoin Satoshi Vision Während sich viele der öffentlichen Debatten über BSV auf “kryptopolitische” Themen konzentrieren, findet unter der Haube viel Entwicklungsarbeit statt.
Abbildung 2: Die meisten Transaktionen auf BSV stammen vom Zahlungsverkehr sowie von WeatherSV, einem Sammeldienst für Wetterdaten. Momentaufnahme am 11. Mai 2020.
Während sich meisten Transaktionen Zahlungen betreffen (31%), liegt WeatherSV auf Platz zwei (28%) und der Air Quality Index (AQI) sowie Tocial.io auf Platz drei (jeweils 14%). WeatherSV und AQI erfassen Umweltdaten auf BSV, wohingegen Tocial ein dezentrales soziales Netzwerk ist, das im März dieses Jahres vor allem für das Image-Sharing ins Leben gerufen wurde. Eine weitere Anwendung, die erhebliches Transaktionsvolumen generiert, ist ANNE (10%), ein dezentrales Datenspeicherungsprotokoll. In Zukunft könnten Datenspeicherungsdienste noch mehr an Volumen gewinnen, z. B. durch Kooperationen mit EHR Data zur Digitalisierung von Gesundheitsdaten.
Das Metanet ist das Datenstrukturprotokoll, das diesen neuen Diensten und Unternehmen zugrunde liegt. Vereinfacht ausgedrückt soll das Metanet das “Internet der Werte” sein. Die Informationen sind offen verfügbar, aber mit einer Geldprämie verknüpft. Dies beseitigt einige der Probleme, mit denen das Internet von heute konfrontiert ist, wie etwa Spam und Bots auf Social-Media-Plattformen oder die Notwendigkeit, dass Werte über Intermediäre bewegt werden müssen.
Auf der Social-Media-Plattform Twetch wird das Konzept der Verknüpfung von Aufmerksamkeit und inhaltlichem Wert umgesetzt. Obwohl das allgemeine Gefühl ähnlich ist wie bei Twitter, bietet die Anbindung an ein Wertübertragungssystem einige Vorteile. Einfache Aktionen wie jemandem zu folgen, einen neuen Beitrag zu erstellen, einen Beitrag zu liken usw. haben alle ihren Preis (von 0,01 bis 0,10 USD), und ein Bezahlsystem für variable Beträge ist über Moneybutton, einen benutzerfreundlichen API-Dienst auf der BSV-Blockchain, enthalten. Diese Zahlungen gehen direkt an den Content-Ersteller, wobei Twetch einen kleinen Betrag für die Bereitstellung der Infrastruktur verlangt. Diese Einrichtung zielt darauf ab, die Accountability zu erhöhen und Anreize für die Erstellung von Inhalten zu schaffen, die viele Menschen als wertvoll erachten, und somit letztendlich Spam zu reduzieren.
Als letzte Komponente des “Internet der Werte” arbeitet Pixel Wallet an einem BSV-basierten digitalen Identitätssystem und an der Kundenidentifikations-Lösung VOAM, ein Kürzel für “verify once, authenticate many”. Das System versteckt verschlüsselte Identitätsdaten in Bildern, und nur der Benutzer hat den Schlüssel zur Entschlüsselung der Daten und weiss, in welchem Bild die Daten gespeichert sind. Künftig sollen User so selektiver und nur noch autorisiert auf ihre Daten zugreifen können, anstatt dass diese wie heute in den Datensilos von Grosskonzernen gespeichert sind.
Fazit Insgesamt zeigt die Base-Layer-Konfiguration bei BSV – z. B. um als gesetzeskonformer Infrastrukturanbieter für Grosskonzerne zu fungieren – im Vergleich zu BTC, welch unterschiedlichen Denkweisen die beiden Communities anhängen. Trotz der andauernden, teils hitzigen und unkonstruktiven Diskussion, welcher Ansatz “besser” ist, lohnt es, den Blick über die Grabenkämpfe in den Social Media zu heben und die verschiedenen aktuellen Entwicklungen genauer zu betrachten. Am Ende entscheidet sowieso der freie Markt darüber, wie jedes Konzept zu bewerten ist.