Ein Einblick in die dezentrale Speicherung
11.05.2021
Daten sind in zunehmendem Masse das “neue Öl” der digitalen Wirtschaft. Grosse Datenmengen können problemlos gesammelt werden, vor allem durch die stetig wachsende Online-Präsenz eines Grossteils der Bevölkerung und die Internetkonnektivität vieler im Alltag verwendeter Smart Devices. Es erscheint logisch, dass die Speicherung dieser Daten ebenso an Bedeutung zunimmt – sowohl aus technischer, als auch aus regulatorischer und datenschutzrechtlicher Sicht.
Derzeit wird ein wesentlicher Teil der Daten in zentralisierten Cloud-Servern gespeichert. Dies mag zwar effizient sein, beinhaltet aber auch für zentralisierte Systeme typische Bedenken, wie z. B. einen Single Point of Failure. Könnte die Blockchain-Technologie hier Abhilfe schaffen?
Von Natur aus ist die Blockchain-Technologie nicht besonders effizient bei der Datenspeicherung, da die Daten von jedem am Netzwerk teilnehmenden Knoten gespeichert werden müssen (woraus die guten Betriebszeit- und Zugriffsgarantien des Netzwerks resultieren). Jedoch schläft die Innovation nie – mehrere Projekte untersuchen die Möglichkeiten der Datenspeicherung im Krypto-Bereich und entwickeln effiziente Lösungen. Die jüngste Marktaktivität deutet auch darauf hin, dass Investoren gleichermassen daran interessiert sind, in den Bereich der dezentralen Speicherung zu investieren (Abbildung 1).
Abbildung 1: Von einer Auswahl an Kryptowährungen, die sich auf Speicherprojekte beziehen, schnitt BTT im Jahr 2021 bisher mit mehr als +2'000 % am besten ab. Als Vergleich wird auch die Performance von Bitcoin gezeigt.
Dezentrale Speicherung: Ein Überblick
Es gibt viele Konkurrenten im Rennen um das beste Speichernetzwerk – von Arweave bis Swarm. Auch die nachfolgende Übersicht ist nicht vollständig, und es gibt weitere Ansätze zur Ermöglichung von dezentralen Speicherlösungen oder Applikationsebenen wie z.B. eigene Daten-Marktplätze.
Filecoin (FIL)
Filecoin führte sein ICO im Jahr 2017 durch (mit $ 257 Millionen eines der damals grössten Emissionsvolumen) und veröffentlichte sein Mainnet im Oktober 2020. Gemessen anhand der Marktkapitalisierung ist es das derzeit grösste Datenspeicherungsprojekt im Krypto-Raum, mit einer Platzierung an 20. Stelle oder einer Marktkapitalisierung von ca. $ 10 Milliarden. Filecoin baut auf dem Interplanetary File System (IPFS) auf, einem Dateifreigabesystem, das 2015 veröffentlicht wurde, und fügt sogar eine weitere Incentive-Ebene hinzu. Speicherplatzanbieter gewähren Nutzern Zugriff auf Dateien und werden für ihren Service in der systemeigenen Währung FIL bezahlt. Der Preis für die Speicherung wird auf dem freien Markt festgelegt.
Filecoin verwendet “Proof-of-Spacetime”, bei dem Speicherplatzanbieter Blöcke erzeugen. Zusätzlich stellt “Proof-of-Replication” sicher, dass die Daten wie angefordert gespeichert und vom Nutzer bezahlt wurden. FIL-Miner müssen Token-Sicherheiten hinterlegen, ähnlich wie bei Proof-of-Stake-Protokollen, was theoretisch die Sicherheitsgarantien des Netzwerks erhöht. Wie ein kürzlich angekündigtes 1,3-Milliarden-Dollar-Projekt in China zeigt, besteht grosses Interesse am Mining von FIL. Dies wird die Speicherkapazität des Netzwerks weiter erhöhen, die derzeit bei 5,12 EiB (etwa 6 Millionen Terabyte) liegt.
BitTorrent (BTT)
BitTorrent ist eines der weltweit grössten Peer-to-Peer-Filesharing-Protokolle, das ursprünglich im Jahr 2001 veröffentlicht wurde. Nachdem Tron es 2018 für $ 140 Millionen übernommen hatte, wurde es durch Forking des IPFS (genannt BTFS) als Basisschichtsystem in die Tron-Blockchain integriert. Der BTT-Token, der derzeit mit einer Marktkapitalisierung von ca. $ 4,5 Mrd. auf Platz 44 liegt, wird verwendet, um für den Dateispeicherservice zu bezahlen.
BitTorrent weist mit 200 Millionen Wallets und 100 Millionen monatlich aktiven Nutzern eine starke Akzeptanz auf. Allerdings verzeichnete das Netzwerk einen Grossteil seines Wachstums bereits in den Anfängen des Filesharing, und der BTT-Token wurde erst später hinzugefügt. Daher scheint seine wirtschaftliche Lebensfähigkeit weniger an den Erfolg des Netzwerks gebunden zu sein als bei einigen seiner Konkurrenten.
Swarm (BZZ)
Swarm, ein Projekt, das ursprünglich in der Ethereum Foundation entstand, wurde bereits im Jahr 2015 auf der Ethereum DEVCON1 in London ausführlich beschrieben. Einen vollständigen Überblick über das Projekt gibt das 287 Seiten lange Book of Swarm. Swarm 1.0, das erste Mainnet-Release, ist für das zweite Quartal 2021 geplant.
In Swarm interagieren Datensender und -empfänger über “Forwarder” – Helferknoten, die die Verbindung zwischen zwei Parteien durch das Netzwerk erleichtern. Die Knoten zeichnen auf, wie viel Bandbreite von jeder Partei verbraucht und bereitgestellt wird. Sobald ein Schwellenwert (das sogenannte “Vertrauenslimit”, das mit der Anzahl der Interaktionen zwischen zwei Knoten zunimmt) erreicht ist, wird die verbrauchte Bandbreite abgerechnet und mit dem netzwerkeigenen BZZ-Token bezahlt. Diese Abrechnung erfolgt durch Schecks gegen ein Guthaben an BZZ-Tokens.
Ausserdem ist das Hochladen von Daten in das Netzwerk mit Kosten verbunden, und die Knoten werden für das Speichern der Daten entschädigt. Eine optimale Konnektivität zwischen den Knoten liegt im Interesse aller Netzwerkteilnehmer und wird somit indirekt incentiviert.
Die Anzahl der am Swarm-Testnetz teilnehmenden Knoten ist in den letzten Wochen stetig gewachsen und liegt derzeit bei ca. 80’000.
Sia (SC)
Mit der Ankündigung in 2014 ist Sia (und seine Kryptowährung Siacoin) eines der älteren Projekte im Speicherbereich, das sich auf die Schaffung von dezentralen, vertrauensunabhängigen Märkten für Cloud-Speicher konzentriert. Sia’s Design-Prinzipien sind eng verknüpft mit Bitcoin, und beinhalten zusätzliche Funktionen für die Optimierung von Peer-to-Peer-Speicherverträgen.
Sia zielt darauf ab, Anreize für Nutzer zu schaffen, um freien Festplattenplatz zu vermieten und dadurch traditionelle Cloud-Speicherplattformen zu hinterfragen – das Speichern von 1 TB an Dateien auf dem Netzwerk für einen Monat liegt preislich im einstelligen Dollarbereich. Wie bei anderen Plattformen ist die systemeigene Kryptowährung der Blockchain, Siacoin, das Tauschmittel für das Mieten und Hosten von Cloud-Speicherdiensten.
Arweave (AR)
Das Arweave Lightpaper wurde 2018 veröffentlicht und beschreibt einen neuartigen Ansatz zur Datenspeicherung mit einer Blockchain-ähnlichen Technologie namens “Blockweave”. Arweave wurde speziell für eine effiziente und kostengünstige On-Chain-Speicherung entwickelt, mit der Idee, dass dezentrale Anwendungen auf der Blockweave aufbauen und deren Incentivierung ermöglichen. Die Kryptowährung, AR, dient als Zahlungsmittel im Netzwerk.
Ursprünglich nutzte Arweave Proof-of-Access, welches – im Gegensatz zu typischen Blockchains – die Aufnahme von Daten aus einem zufällig ausgewählten vorherigen Block in neue Blöcke erforderte (wodurch das “Weave” entstand). Dies wurde jedoch später auf einen neuen Mechanismus namens Succinct Proofs of Random Access umgestellt.
In Arweave werden die Knoten in einem System namens “Wildfire” nach der Übertragungsgeschwindigkeit neuer Transaktionen und Blöcke an andere Knoten eingestuft. Schlecht arbeitende Knoten können theoretisch sogar von anderen auf die schwarze Liste gesetzt werden.
Status Quo
Trotz jahrelanger Forschung steckt der dezentrale Speicherbereich noch in den Kinderschuhen. Die aktuellen Netzwerke haben bisher nur ansatzweise begonnen, ihren traditionellen Cloud-Speicher-Konkurrenten Marktanteile abzunehmen. Eine Technologie, die auf massive Grösse skalieren kann, scheint eine Voraussetzung für den erfolgreichen Aufbau eines dezentralen Speichernetzwerks zu sein. Das Bootstrapping eines solchen Netzwerks ist knifflig – sobald jedoch leistungsstarke Netzwerkeffekte etabliert sind, die durch ihre systemeigenen Kryptowährungen incentiviert werden, könnte dies zu exponentiellem Wachstum führen. Eine Bedingung hierfür wäre, dass die Protokolle weithin integriert und auch für nicht-technisch versierte Nutzer leicht zugänglich sind.
Fazit
Das Innovationstempo im Bereich dezentraler Speicher zeigt deutlich, dass das Interesse an diesem Bereich sowohl bei den Entwicklern als auch in der Community gross ist. Es existieren heute verschiedene Ansätze, jeder mit seinen eigenen Nuancen – die Zeit wird zeigen, welche davon in der Lage sind, die Vision eines “dezentralen Internets” zu verwirklichen.